Der Schaedelschmied
Faust gegen die Eingangstür krachen ließ, stellte Jorge zweierlei fest: erstens, dass er dem katzbuckelnden Laufburschen von Polizeipräsident Wymmler extrem dankbar war, dass dieser ihn durch die labyrinthischen Straßen und Aufzugschächte bis hierher geleitet hatte; und zweitens, dass er mindestens ebenso dankbar war, dass sich der Knilch unmittelbar nach Erreichen der gewünschten Adresse verzischt hatte.
Jorge hatte nichts gegen klein gewachsene Leute – bei Batardos, man konnte ja auch nicht behaupten, dass M.H. ein Riese war, im Gegenteil. Kleine Kerle hatten etwas Beschützenswertes. Jorge dachte beispielsweise an Pompom. Aber, Blaak, Zwerge gingen ihm auf den Sack. Ihre Kleinheit hatte etwas Verstohlenes, ihre Strenge, ihr Ordnungswahn und ihr ewiges Heil-Gebrüll nervten ihn. Er konnte sich nicht vorstellen, länger in Barlyn zu verweilen als unbedingt notwendig. Andernfalls würde er irgendwann durchdrehen. Giftige, keifende Wichte, denen die Bedeutung des Wortes »Genuss« fremd war. Verbitterte Mistkerle, die nur für ihre Arbeit lebten.
In diesem Moment öffnete sich die Tür aus Pesteiche, und Herr Hellmuth erschien im Türrahmen.
Wie fast alle Zwerge trug er Augengläser auf der Nase. Sein Gesicht – der Teil, den man oberhalb eines drahtigen, nach allen Richtungen abstehenden Vollbarts erkennen konnte – hatte die Farbe eines schlechten Traums, zumindest war das Jorges spontane Assoziation. Irgendwas zwischen Grau, Blau und Krügerschweinfarben. Er reichte Jorge etwa bis zur Gürtelschnalle, aber da er leicht vornübergebeugt stand, war seine tatsächliche Größe schwer zu schätzen.
Der Sekretär begrüßte Jorge mit einem fragenden »Heil Hindrych?«. Nachdem Jorge abgewunken und dem Zwerg erklärt hatte, wer er war und was er wollte, gewährte dieser ihm zögernd Einlass.
Bereits im Eingangsbereich der erbärmlich engen Bleibe stieß sich Jorge mehrmals den Kopf, fegte mit dem Hinterteil eine Blumenvase von einer Anrichte und brachte einen Kleiderständer zu Fall. Hellmuth führte ihn in ein nicht wesentlich geräumigeres Wohnzimmer. Wortlos holte er aus einer Anrichte eine Glaskaraffe hervor und schenkte zwei Gläser einer klaren, scharf riechenden Flüssigkeit ein – Drollych, wie Jorge begeistert registrierte. Vielleicht würde die Befragung von Borkudds Sekretär doch nicht so langweilig werden, wie er befürchtet hatte.
»Freund Hellmuth«, sagte Jorge, während der aberwitzig starke Schnaps eine feurige Spur des Schmerzes durch seine Speiseröhre brannte, und ließ sich in einem viel zu kleinen Ohrensessel nieder. »Es gibt da ein altes Troll Sprichwort, und das geht so: Dieser Drollych, also, der ist fast so gut wie ein ehrlicher Knosper. Und ein ehrlicher Knosper zur rechten Zeit erfreut Herz und Gedärm. Bitte noch ein Glas randvoll einschenken!«
Der graugesichtige Zwerg erhob sich mit einem Seufzen und verschwand im Nebenzimmer. Jorge sah ihm verdattert nach. Wo wollte er hin? Mehr Schnaps holen vielleicht?
Unbehaglich wand er sich in dem engen Sessel hin und her, dessen grüner Bezug mit zackigen, unsympathischen Zwergenrunen bestickt war. Die Wände verbargen sich hinter dunklem Holz, wahrscheinlich Noris- oder Pesteiche, die hier allgegenwärtig zu sein schienen. An den Wänden hingen Harschtippier-Geweihe, dazwischen ein verrostetes, in sich verschlungenes Jagdhorn. Auf kleinen Tischchen mit Spitzendeckchen standen winzige Kristallnachbildungen von Zwergen – nackten Zwergen, mit Gehängen wie besoffene Parnassusochsen. Jorge schmunzelte. Er fragte sich, ob die kitschige Sammlung Rückschlüsse auf Hellmuths sexuelle Orientierung zuließ. Allem Anschein nach hatte der Zwerg keine Familie, lebte allein – vor dem Hintergrund der kristallenen Nackedeis durchaus bemerkenswert. Vielleicht hatte er ja was mit seinem Vorgesetzten gehabt? Etwas Intimes? Jorge nahm sich vor, den Zwerg auf subtile Art und Weise danach zu fragen. Vorher brauchte er aber zunächst noch etwas Drollych. Zur Entspannung.
Plötzlich ertönte ganz in der Nähe ein blubberndes Geräusch, das an einen verstopften Abfluss erinnerte. Jorge lehnte sich in seinem Sessel nach vorn und suchte nach dem Verursacher des unappetitlichen Röchelns.
Durch die Tür, in der Hellmuth verschwunden war, kam ein vierbeiniges Tier ins Wohnzimmer geschlichen. Für einen kurzen Moment hielt Jorge es für eine Glophendogge, eine der größten und aggressivsten Hunderassen Sdooms, und er spürte, wie sein Herz einen
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