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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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deformierten Körper an der unebenen Wand des Stollens abzustützen. In einem wurmähnlichen Fortsatz, auf dem kein Kopf saß, klaffte etwas, das wie eine üble Bauchwunde aussah. Eine gigantische Zunge, aus der spitze Zähne wuchsen, leckte daraus hervor, zuckte, suchte …
    »Bei Batardos«, flüsterte Jorge erneut.
    Glaxiko brüllte. »MACH ES WEG! MACH, DASS ES WEGGEHT! ICH WILL HIER RAAAUUUUS!«
    »Keinen Ton mehr«, zischte Jorge. »Sieh doch, es scheint keine Augen zu haben. Möglicherweise reagiert es auf Geräusche.« Oder Gerüche, fügte er im Geist hinzu. »Nun halt schon dein Maul!«
    Es war seltsam: Solange sie durch die engen Stollen geeilt waren, auf der Suche nach einer gemeingefährlichen, monströsen Kreatur, hatte Jorge ständig kurz vor einer Panikattacke gestanden. Nun, wo er die monströse Kreatur zum Greifen nah vor sich hatte, war er vollkommen gefasst. Jeder einzelne seiner Sinne war hellwach, aufs Äußerste gespannt. Als er die Fackel vorsichtig wieder vom Boden aufhob und einen Schritt auf die Kreatur zumachte, verursachte er kein Geräusch.
    Von einem Augenblick auf den nächsten schien das Monstrum zu zerschmelzen, in sich zusammenzusacken, nur um einen Augenblick später wieder genauso dazustehen wie zuvor. Das Sirren schwoll an, übertönte Glaxikos zu einem Wimmern verebbte Lautäußerungen.
    Jorge wagte einen weiteren Schritt vorwärts.
    Die dünnen Arme bewegten sich in seine Richtung. Die zahnbewehrte Zunge zuckte ein letztes Mal aus dem schlauchartigen Hals hervor, dann setzte sich die Kreatur ruckartig in Bewegung.
    Jorge erstarrte.
    Das Ungeheuer war unglaublich schnell, es schien regelrecht an der Wand des Stollens entlang auf ihn zuzufließen. Dabei flackerte es, als würden blinzende Augenlider immer wieder für Sekundenbruchteile Jorges Blickfeld verdecken. Verwirrt machte er sich bewusst, dass er gar nicht blinzelte.
    Und dann, ebenso unvermittelt, wie es aufgetaucht war, verschwand das Geschöpf wieder. Von einer auf die andere Sekunde war der Tunnel vor ihnen leer, nichts bewegte sich dort, bis auf die sanft flackernde Fackel in ihrer Wandhalterung.
    Ein aberwitziger Gedanke schoss Jorge durch den Kopf: War es denkbar, dass die Kreatur nicht nur von Schleim bedeckt gewesen war, sondern ganz und gar aus Flüssigkeit bestanden hatte? Dass sie ihre Körperform gedankenschnell aufgeben und sich als Pfütze auf dem Boden ausbreiten konnte? So ließe sich auch erklären, wie die Bestie in Minister Borkudds verriegeltes Büro hätte gelangen können: Sie wäre einfach unter der Tür hindurchgeflossen!
    Ohne Glaxiko eines Blickes zu würdigen, der zu einer Kugel zusammengerollt am Boden lag und weinte, ging Jorge bis zur Kurve und untersuchte die Wand, vor der das Monster eben noch gestanden hatte. Sie war etwas heller als die umliegenden, aber nicht weiter auffällig. Jorge streckte seine Hand aus – die aus Fleisch und Blut, nicht die künstliche – und berührte die Oberfläche. Der Fels fühlte sich trocken und kalt an. Auch der Boden davor war trocken, nirgendwo Spritzer von eklem Glibber, geschweige denn eine Riesenpfütze, zu der das Biest sich aufgelöst hatte.
    Verwirrt starrte Jorge den Stollen entlang, der sich wenige Meter hinter der Biegung erneut wand. Nichts.
    »Bei Batardos’ üblem Erbrochenem«, hauchte er. »Das Biest war vielleicht schnell!«
    »WAS, WENN ES ZURÜCKKOMMT?«, brüllte Glaxiko. »WENN ES ZURÜCKKOMMT, UM UNS ZU HOLEN …«
    Ein letztes Mal fuhr Jorge mit der Hand über die steinerne Stollenwand, dann drehte er sich um und kehrte zum General zurück. Er packte ihn unter den Achseln und zerrte ihn ohne große Mühe auf die Beine.
    Glaxikos Gesicht war rot angelaufen, seine Wangen nass von Rotz und Tränen. Jorge stellte fest, dass sich der Leiter der Stadtwache von Nophelet in die Hosen gepisst hatte. Der dunkle Fleck in seinem Schritt hob sich deutlich vom Blau der restlichen Uniform ab. Möglicherweise war es sogar noch zu Schlimmerem gekommen, aber Jorge verspürte nicht den Wunsch, das genauer zu recherchieren.
    »Geht’s?« Jorge erwog, sich mit einer hämischen Bemerkung über den Zusammenbruch des Militärs lustig zu machen, aber das erschien ihm in diesem Augenblick zu billig. M.H. hatte völlig recht: Schrecken war eine exquisite Empfindung. Man trieb kein Schindluder damit.
    Glaxiko schüttelte schwach den Kopf und kniff die Augen zusammen wie ein Kind, das sich vor den unheimlichen Szenen eines Theaterstücks fürchtet.
    »Hey,

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