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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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Tatzeit auswärts?«
    »Ich … weil … also, ich hatte …«
    Nussmuth erschien in der Küchentür, ein Tablett mit Schüsselchen voller geeister Süßspeise in Händen. Frietrych scheuchte ihn mit einem beiläufigen Schwenk des Rohrstocks davon.
    »Ja, verdammt, es stimmt. Ich war nach der Arbeit noch unterwegs! Auf ein paar Gläser Drollych in der Sechsten, in einer Kneipe namens Tunnelblick.«
    Mildaus Augen hinter ihren Stielgläsern verengten sich zu gefährlichen Schlitzen. »In dieser Kaschemme? So einem Loch? Wo die weiblichen Bedienungen noch weniger am Leib tragen, als sie im Kopf haben? Frietsel, wie kannst du es wagen …?« Ihre dicken Finger grapschten bebend auf der Tischdecke umher, bekamen einen silbernen Dessertlöffel zu fassen.
    Bevor die Situation außer Kontrolle geraten konnte, schaltete sich Hippolit wieder ein: »Gibt es jemanden, der bezeugen kann, dass Sie sich zur Todeszeit Borkudds – vorsichtig geschätzt zwischen der neunten Abendstunde und Mitternacht – in dem besagten Lokal aufhielten? Dass Sie es nicht verlassen haben?«
    Frietrych schüttelte, ohne nachzudenken, den Kopf. »Nein. Ich war alleine dort. Mir schwirrte der Kopf von Problemen im Ministerium. Ich wollte mich mit dem Alkohol etwas Hinterbringen.«
    »Halbnackte Mädchen angaffen wolltest du!« Mildau schwang hektisch ihren Löffel. »Wo du zu Hause so eine liebreizende …«
    »Es war niemand in der ganzen Kneipe, der Sie kannte? Keiner, mit dem Sie wenigstens ein paar oberflächliche Worte gewechselt hätten?« Die aktuelle Entwicklung, wiewohl unerwartet, war interessant, fand Hippolit. Frietrychs Name war auf seiner Liste der Verdächtigen bisher nicht aufgetaucht.
    Erneut schüttelte der Vizeminister den Kopf. »Wie gesagt, ich bin nicht dorthin gegangen, um mit jemandem zu reden.« Er goss sich Wein nach, trank. Dann zuckte er hilflos die Achseln. »Irgendjemand wird mich schon erkannt haben, immerhin bin ich eine Person des öffentlichen Lebens. Aber wen man fragen könnte … das weiß Thellw allein.«
    Mildau stieß ein schnaubendes Geräusch durch die Nase aus. »Als ob sich an dich irgendjemand erinnern würde, du Waschlappen!«
    »Sie wollten sich also einen ansaufen, um Ihre Arbeit zu vergessen?«, bohrte Hippolit nach, wobei er bewusst eine Formulierung wählte, wie Jorge sie gebraucht hätte. Jedes Mittel, das half, Nähe zwischen dem angetrunkenen Minister und ihm zu schaffen, war willkommen.
    Frietrych nickte widerstrebend, trank. »Viel los im Ministerium dieser Tage. Unergiebige Fördertrakte, Arbeiterengpässe, schrecklich … Ich will Sie nicht mit Interna belästigen, Herr Hippolit, aber das Grobonskonit, es rollt einfach nicht mehr so wie früher.« Er goss den Rest Wein aus der Flasche in sein Glas und schleuderte das leere Gefäß, ohne zu zielen, in Nussmuths Richtung. Der Diener fing es geschickt auf und war Sekunden darauf mit einer neuen Flasche zur Stelle.
    »Sind die Erträge wirklich so schlecht?« Hippolit runzelte die Stirn. Den Informationen zufolge, die er kurz nach seiner Ankunft von Wymmler erhalten hatte, waren in den Minen Barlyns gegenwärtig so viele Brüder beschäftigt wie noch nie zuvor in der Geschichte der Stadt. Wenn die Ertragszahlen, die das Schürfministerium auswies, dennoch nicht befriedigend waren, ließ das eigentlich nur einen Schluss zu …
    »Fragen Sie nicht!« Frietrych stützte die Ellenbogen auf den Tisch, führte das Weinglas mit beiden Händen zum Mund und schlürfte geräuschvoll. »Das Ministerium ist so klamm, dass wir längst massiv Stellen hätten abbauen müssen. Aber das ist undenkbar – schon die Arbeiter, die wir augenblicklich haben, erfüllen kaum das Plansoll.« Er starrte in sein Glas, sagte zu der roten Flüssigkeit: »Hätte ich nur auf meinen Vater gehört und wäre Bankier geworden.«
    Hippolit grübelte einen Moment. »Könnte es sein, dass irgendjemand Minister Borkudd aus genau diesem Grund umbringen wollte? Weil es ihm während der letzten Jahre nicht gelungen ist, die Fördermengen in einen rentablen Bereich zu bringen?«
    Der Zwerg sah von seinem Glas auf. Für einen kurzen Augenblick schien es, als hätte er überhaupt nicht verstanden, wovon sein Gast redete. Dann ruckte er in einer halb schüttelnden, halb nickenden Bewegung mit dem Kopf. »Was weiß denn ich? Alles, was ich Ihnen sagen kann, ist, dass ich nichts mit seinem Ableben zu tun habe. Ich war im Tunnelblick, bis nach Mitternacht. Nussmuth! Mein Glas ist leer! Muss ich

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