Der Schaedelschmied
dir erst Beine machen?«
Der Diener wetzte heran und füllte die Gläser seines Herrn und dessen Gattin auf. Hippolit hielt abwehrend die Hand über das seine und dachte angestrengt nach.
Falls im Schürfministerium Gelder veruntreut worden waren und Borkudd etwas damit zu tun gehabt hatte, mochte ihm dies sowohl einen Grund für seinen Selbstmord geboten wie auch einer anderen Person als Mordmotiv gedient haben. Er brauchte jedoch mehr Informationen, bevor er diese Informationen zu einer sinnvollen Theorie ausarbeiten konnte.
»Wer beaufsichtigt die wirtschaftlichen Aspekte der Grobonskonitförderung?«
»Oberster Kassenwart ist Finanzminister Erhart«, gab Frietrych Auskunft, leicht lallend nach zwei rasch hintereinander gekippten Gläsern aus der neuen Flasche. »Aber ich wüsste w-wirklich nicht, was er Ihnen in d-dieser Angelegenheit …«
»Werden Sie Frietsel nun festnehmen oder nicht?«, unterbrach die dicke Frau Mildau ihren Mann erwartungsvoll.
»Teuerste, wenn ich jeden gleich verhaften würde, der für die Tatzeit kein lückenloses Alibi vorweisen kann, hätte ich ziemlich viel zu tun.« Hippolit zwang ein freundliches Lächeln auf sein Gesicht und erhob sich. »Herr Frietrych? Frau Mildau? Ich danke Ihnen für den netten Abend und das aufschlussreiche Gespräch. Falls ich weitere Fragen haben sollte, werde ich Sie im Ministerium aufsuchen.« Er deutete eine Verbeugung an. »Ich darf mich jetzt verabschieden.«
»Ja. Ja, n-natürlich …« Der Vizeminister versuchte umständlich, sich zu erheben. Unter Einsatz beider Hände gelang es ihm schließlich, sich auf der Tischplatte abzustützen und ein Stück in die Höhe zu stemmen.
»Behalten Sie Platz, ich bitte Sie.« Hippolit deutete angelegentlich auf Frietrychs Rechte. »Ihrem verletzten Arm geht es wieder besser, wie ich sehe?«
»Wie? Was?« Frietrych ließ sich schwer auf seinen Stuhl zurückfallen. Mit verständnislosem Blick musterte er erst seinen linken, dann den rechten Arm. »Ach ja, das. Eine spontane Revon … Rekonva … eine spontane Genesung. Thellwsei Dank!«
»Wie schön für Sie. Guten Abend!«
Kaum machte Hippolit Anstalten, sich in Richtung Tür zu entfernen, schoss Frau Mildau mit einer Geschwindigkeit, die er der schwergewichtigen Zwergin niemals zugetraut hätte, von ihrem Stuhl hoch. Sie scheuchte Nussmuth mit einer energischen Geste davon, packte Hippolit am Arm und schob sich an seiner Seite in die Eingangshalle hinaus.
An der Haustür hielt sie inne und flüsterte ihm vertraulich ins Ohr: »Mein Mann hat Dreck am Stecken, Meister Hippold! Und das sage ich nicht nur, weil er lieber fremden Weibern nachgafft, als seinen ehelichen Verpflichtungen nachzukommen. Das müssen Sie mir glauben.«
»Quintessenziell. Wenn Sie mich jetzt …«
»Er profitiert ganz direkt vom Tode Borkudds, müssen Sie wissen. Die Stelle des obersten Schürfministers darf nicht lange vakant bleiben, und für die Einarbeitung Externer bleibt keine Zeit. Frietsel wird daher schon in Kürze den frei gewordenen Posten übernehmen.«
Hippolit gab sich alle Mühe, diese aufschlussreiche Information abzuspeichern, doch seine Bemühungen, die teigigwarme Pranke der Zwergin von seinem Arm zu entfernen, nahmen seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch.
»Nichts als ein kleiner Hinweis, weil Sie mir so sympathisch sind.« Mit unschuldiger Miene beugte sie sich noch näher. Hippolit zerrte hilflos an seinem Arm.
»Sollten Sie im Verlauf Ihrer Ermittlungen einmal feststecken …« Eine Brust, weich, warm und größer als sein Kopf, drückte sich gegen Hippolits Ellenbogen. Er spürte den heißen Atem der Zwergin an seinem Ohr. »Draußen auf dem Grundstück steht ein kleines Gewächshaus, in dem ich Nermoveilchen züchte. Wenn mein Mann im Ministerium ist, halte ich mich meistens dort auf.« Sie zwinkerte Hippolit zu, so dicht an seinem Gesicht, dass ihre kräftigen dunklen Wimpern seine Haut kitzelten.
Mit einem Anflug von Panik riss sich Hippolit los und floh durch den kargen Vorhof zum Gartentor. Aus dem Augenwinkel sah er noch, wie ihm die Ministergattin, gestützt auf eine zipfelbemützte Skulptur aus Stein, mit einer dicken Hand verzückt nachwinkte.
15
Nach seinem Ausflug in die Vierunddreißigste hatte Jorge eigentlich die Schnauze voll von allem, was Barlyn an unangenehmen Überraschungen für einen Troll bereithielt. Er hatte die Schnauze voll von der Zwergenstadt, diesem Ort der Enge, Fremdenfeindlichkeit und des ewigen künstlichen
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