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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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seine durch das Kraut angeregte Verdauungstätigkeit akustisch bemerkbar machen.
    Ein klapperndes Geräusch ließ Hippolit aus seinen Gedanken hochfahren. Doch es war nur Nussmuth, der wie befohlen das Geschirr abräumte. Als Hippolit den Kopf drehte, stellte er unangenehm berührt fest, dass die Hausherrin ihn nach wie vor fasziniert anstarrte.
    Fasziniert und irgendwie gierig.
    »Das Essen war ausgezeichnet«, verkündete Hippolit rasch und brachte sich in eine aufrechte Sitzposition. »Mein Kompliment dem Koch.«
    Nussmuth, dienstbeflissen mit einem Stapel Teller auf dem Weg zur Küchentür, neigte kaum merklich den Kopf. Sogleich zuckte der Rohrstock in seine Richtung. »Steh nicht nutzlos herum«, gellte Frietrych. »Wo bleibt das Dessert?«
    Hippolit stellte fest, dass ihm der alte Zwerg leidtat. Um den Unmut seines Gastgebers von ihm abzulenken, räusperte er sich vernehmlich. »Ich danke Ihnen für die Einladung, Herr Frietrych. So köstlich das Essen war, ich darf leider den dienstlichen Aspekt meines Besuchs nicht vergessen.«
    Neben ihm am Tisch begannen Frau Mildaus Augen zu leuchten. Sie zückte zwei an einem Stiel befestigte Augengläser und hob sie vors Gesicht, um Hippolit durch die geschliffenen Linsen noch interessierter zu betrachten.
    »Sie wollen also über Borkudd sprechen?« Frietrych legte den Rohrstock neben sich auf den Tisch, langte nach seinem Weinglas und leerte es in einem Zug. »Schrecklich! Nun, es wird sich kaum vermeiden lassen.«
    »Kaum.« Hippolit tupfte sich mit einer kunstvoll bestickten Serviette die Lippen. »Sie waren einer der Letzten, der vor seinem Tod mit Minister Borkudd gesprochen hat. Ist das richtig?«
    Frietrychs dunkle Brauen, normalerweise ein durchgehender Strich, der parallel zu seinem waagerecht gestutzten Haar verlief, zogen sich zu einem unwilligen V zusammen. ›»Vor der Tat‹ ist nicht ganz korrekt, denke ich. Ich suchte Minister Borkudd am frühen Nachmittag in seinem Büro auf und erkundigte mich, wann ich jemanden schicken könne, die fällige Zenitbilanz abzuholen. Das tue ich immer … will sagen, ich tat es immer, da Borkudd es eigentlich nie schaffte, die Tabellen während der regulären Dienstzeit fertigzustellen.«
    »Wie verhielt sich Ihr Vorgesetzter an jenem Nachmittag? Wirkte er anders als sonst? Aufgeregt? Traurig? Machte er den Eindruck, als hätte er Angst vor irgendetwas?«
    Der Zwerg überlegte kurz, dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Nichts davon. Er benahm sich völlig normal. Ein bisschen brummig, die Reaktion eines vielbeschäftigten Mannes, der nicht gestört werden will. Aber so war er immer, das kann man kaum als außergewöhnlich bezeichnen.«
    »Werden Sie meinen Mann verhaften?«, wollte Frau Mildau unvermittelt von der anderen Seite des Tisches wissen.
    Hippolit und Frietrych sahen sie überrascht an.
    »Das, äh … hatte ich eigentlich nicht vor, Teuerste. Wie kommen Sie auf diesen Gedanken?«
    »Millie! Was redest du für einen Unsinn?«
    Die Gattin des Vizeministers glotzte Hippolit mit feuchten Augen an. Ihre runden Backen, glänzend vom Fett der genossenen Speisen, waren gerötet. Die Aussicht, dass ihr Mann Angst vor diesem unscheinbaren, blassen Knaben haben könnte, schien sie zu erregen.
    »Nichts für ungut, Frietsel, aber du weißt: Im Angesicht des Gesetzes muss man die Wahrheit sagen.«
    »Natürlich weiß ich das«, begehrte ihr Gatte auf. »Könntest du mir vielleicht erklären, worauf du …«
    »Mein Mann war zur Tatzeit nicht zu Hause«, verkündete die dicke Zwergin, ohne den Blick von Hippolit abzuwenden. »Er kam am fraglichen Abend nicht von der Arbeit heim. Nussmuth und ich können das bezeugen. Erst weit nach Mitternacht schlich er sich in unser gemeinsames Schlafgemach.« Dem galligen Seitenblick, den sie während der letzten Worte auf ihren Mann abschoss, ließ sich ohne viel Fantasie entnehmen, dass von den Dingen, nach denen sich Mildau in jener Nacht im besagten Schlafgemach gesehnt hatte, rein gar nichts geschehen war.
    Der Vizeminister schnappte nach Luft. »Millie! Überleg dir, was du da …«
    »Du hast sogar eigens Fleisch für die Hunde mitgebracht, damit sie bei deiner Rückkehr keinen Radau machen«, blaffte die Zwergin. »Alles nur, weil du gehofft hast, ich schliefe schon und du kämst wieder drumherum, deinen Mann zu stehen!«
    »Millie! Bei Thellws Güte, das gehört nun wirklich nicht …«
    »Stimmt das, Herr Frietrych?« Hippolit legte interessiert den Kopfschief. »Waren Sie zur

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