Der Schädelschrank
dachte nicht im Traum daran, sich hinzulegen. Er war nicht müde. Die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit hatten ihn einfach zu sehr mitgenommen. Wilde Gedanken drehten sich in seinem Kopf.
Zudem wollte er in Ruhe den Roten genießen und sich selbst mit den Vorgängen auseinander setzen.
Er trank in kleinen Schlucken und dachte daran, dass alles erst der Anfang gewesen war. Sein Gefühl sprach einfach dafür. Es würde noch etwas folgen, dessen konnte er sich sicher sein. Dieser Schrank war zwar normal, sein Inhalt aber war es nicht, und darüber musste er nachdenken. Daran kam er gar nicht vorbei.
Schädel in den Schubladen. Einmal waren sie vorhanden und dann wieder nicht. Genau in den Minuten, als die Bullen sich den Schrank vorgenommen hatten, waren sie verschwunden, als hätten sie sich in Luft aufgelöst.
Und dann waren sie wieder da gewesen...
Warum?
Auch der nächste Schluck Wein konnte ihm nicht helfen, diese Frage zu beantworten. Da gab es keine Lösung.
Als Trödler war er mit den unterschiedlichsten Waren bedacht worden. Er kaufte nicht nur Möbel oder Glassachen ein, sondern auch Masken und ähnliche Kultgegenstände. Es gab Verkäufer, die ihm dazu die passenden Gruselgeschichten erzählten, die von alten Flüchen handelten und ähnlichen schlimmen Dingen.
Bei diesem Schrank hatte er das nicht erlebt. Oder konnte sich zumindest nicht erinnern. Wohl an den Verkäufer, der ihn zu einem Spottpreis abgegeben hatte. Gerade mal fünfhundert Pfund hatte der Trödler hinlegen müssen. Wenn er den Schrank verkaufen konnte, war es das Geschäft seines Leben gewesen.
Als Händler in seiner Position durfte man nicht pingelig sein. Den Schrank hatte er in einer alten Gartenlaube erworben, was das anging hatte er die Polizei belogen.
Wieso eigentlich?, fragte er sich kurz, bevor er den Gedanken beiseite schob.
Diese Gartenlaube war der Treffpunkt zwischen ihm und dem Verkäufer gewesen, dessen Namen er nicht mal kannte. Das heißt, er erinnerte sich nicht daran. An sein Aussehen schon. Klein, ein Gesicht mit rattenhaften Zügen. Irgendwie verschlagen sah er aus. Dazu passten auch die kalten Augen.
Es war schon ungewöhnlich, dass ihm der Name des Verkäufers entfallen war. Darüber wollte er sich nicht ärgern. Ihm war klar, dass er sich ein Problem aufgehalst hatte. Das konnte man drehen und wenden, wie man wollte. Ein Schnäppchen war dieser Kauf nicht gewesen, denn es gab jetzt bereits Probleme. Und dass ihm die Bullen in die Quere gekommen waren, passte ihm ebenfalls nicht.
Er goss Rotwein nach. Auch dabei wollten sich seine Gedanken nicht fortstehlen, denn er merkte, dass sich ein bestimmter Drang in ihm ausbreitete.
Vorhin hatte er sich nach diesem Raum und der Ruhe gesehnt. Das war nun vorbei. Die innerliche Unruhe würde er nur loswerden können, wenn er das Zimmer verließ.
Ein letzter Schluck Wein. Danach stellte er das leere Glas zur Seite. Er lauschte seiner inneren Stimme.
Sie gab ihm einen bestimmten Befehl. Sie wünschte sich etwas von ihm, und er konnte diesem Wunsch nicht widerstehen. Es trieb ihn aus dem Zimmer, weg aus dieser Etage, und er ging so leise wie ein Dieb die Treppe hinab nach unten.
Dort blieb er für einige Zeit stehen, wobei er sich wie von einem Band gezogen langsam nach links drehte, weil für ihn eine bestimmte Tür wichtig war.
Sie stellte die Verbindung zwischen seinem Haus und der Garage dar. Das heißt, er war in der Lage, die Garage auch vom Haus her zu erreichen.
Die Treppe hatte er recht schnell hinter sich gelassen. Nun verlangsamten sich seine Bewegungen. Es war keine Furcht, die ihn überfallen hatte, sondern eher Vorsicht. Er sah nichts, nur konnte er sich vorstellen, dass sich trotzdem etwas verändert hatte, weil sich in sein Leben andere Kräfte hineingedrängt hatten, von denen er nie geglaubt hätte, dass sie überhaupt existierten.
Er fand sich vor der Tür wieder.
Sein Blick ging zur alten Klinke, deren schwarze Farbe im weichen Licht deutlich zu sehen war.
Der Trödler fasste sie an und drückte sie nach unten.
Die Tür öffnete sich.
Es war kalt in der Garage. Zumindest kühl. Ein leichter Schauder überfloss den Mann, der aus dem Licht kam und hinein in das Dunkel schaute.
Er sah den Schrank. Natürlich stand das Möbel noch dort, wo Samson und er es hingeschafft hatten. Keine finstere Kraft hatte es zur Seite gerückt oder verändert. Es war alles schon okay so, und trotzdem traute er dem Frieden nicht.
In seinen Kniekehlen spürte
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