Der Schädelschrank
er das Zittern. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass ihm dies schon mal passiert war. Es kam ihm hier alles sehr neu vor.
Die Dunkelheit in der Garage blieb. An den Stellen, an denen sich der alte Kram stapelte, waren die Schatten besonders dicht. Da hatten sie eine regelrechte Decke gebildet, und er sah auch nicht, was dort lag. Es war nur komisch, dass er sich nicht traute, das Licht einzuschalten. Irgendeine Kraft hielt ihn davon ab, als hätte sich etwas klammheimlich in sein Innerstes gestohlen.
Er wartete.
Die Sekunden verstrichen, und seine Augen gewöhnten sich immer besser an die Lichtverhältnisse, denn durch die offene Tür schwappte die Helligkeit des Flurs in die Garage.
Ihn interessierte nur der Schrank, der dort stand und auf ihn zu warten schien. Die Schubladen waren zu sehen, aber sie waren geschlossen. Niemand hatte in der Zwischenzeit eine von ihnen aufgezogen – sogar damit hatte er gerechnet.
Natürlich stellte sich der Trödler die Frage, warum er hier stand. Eigentlich gab es für ihn keinen Grund. Aber er besaß auch nicht die Kraft, sich umzudrehen und wieder nach oben zu gehen. Das war alles sehr, sehr seltsam, und er stand vor einer völlig neuen Situation.
Alles war von der Optik her normal. Doch der Mann war sensibel genug, um zu spüren, dass diese Normalität sehr oberflächlich war. Dahinter lauerte etwas anderes. Eine unbekannte Gefahr, der er so leicht nicht entrinnen konnte.
Seine Blicke glitten von links nach rechts über den Schrank. Geschlossene Schubladen, nichts, was sich verändert hätte, und die runden Kugelfüße waren auch noch die gleichen.
Nur der Schrank insgesamt nicht mehr. Der hatte sich verändert. Und zwar in seinem Innern, denn Sekunden später hatte er den Eindruck, als hätte das Möbelstück eine Seele oder ein schauriges Eigenleben bekommen...
***
Es begann mit einem Poltern!
Nicht unbedingt laut, aber immerhin so stark, dass er diese Geräusche hörte. Und sie waren tatsächlich nicht außerhalb des Schranks entstanden, sondern in seinem Innern.
Als Phil Young dieses Geräusch hörte, durchzuckte es ihn wie ein Schlag. Etwas rann von seinem Kopf bis zu den Beinen. Er bekam das Gefühl der Enge zu spüren, das seine Brust zusammendrückte, und durch seinen Kopf tanzten die Gedankenfetzen, ohne dass er irgendetwas selbst in Gang gesetzt hätte.
Es rumpelte weiter!
Dumpfe Laute erklangen, aber es war auch jetzt nichts zu sehen. Der einsame Zeuge erlebte das Rumpeln und Poltern im Innern des Schranks, der ein Eigenleben entwickelt hatte.
Er wusste sehr genau, dass die Laden nicht leer waren. Zahlreiche Totenschädel lagen darin, und es konnten nur sie sein, die diese dumpfen Geräusche ab gaben.
Da schlugen die Schädel gegeneinander oder vor das Innenfutter der Laden. Er hätte eigentlich ein Knirschen und Splittern erwartet, weil die blanken Köpfe zerbrachen, doch dieses Phänomen trat nicht ein.
Kein Splittern, kein Geräusch, das auf ein Zerbrechen des Gebeins hingedeutet hätte.
Phil Young erlebte die Geräusche wie eine fremde Musik. Sie bereitete ihm allerdings kein Vergnügen. Hier traf das Gegenteil zu, denn die Angst stieg immer höher.
Young wusste, dass etwas passierte, aber er konnte sich nicht vorstellen, worauf letztendlich alles hinauslief.
Die Schädel waren doch nicht so dumm, sich gegenseitig zu zerstören? Das wäre lächerlich gewesen.
Knackte es. Waren aus den Totenköpfen zersplitterte Gegenstände geworden?
Das alles baute sich als Frage auf, während der Trödler unbeweglich auf der Stelle stand und einfach nur auf den Schrank schaute. Zu etwas anderem war er gar nicht fähig. Es ging ihm nur um den Schrank und dessen Inhalt.
Wieder schlugen die Köpfe gegen die Innenseiten der Laden. Diesmal noch schneller und härter. Er konnte sich vorstellen, dass diese Musik jetzt zum Finale ausholte.
Nein, das stimmte nicht. Oder vielleicht doch. Young war durcheinander. Das Poltern nahm an Lautstärke noch einmal zu, danach wurde es schlagartig still.
Nichts mehr! Kein Geräusch, das ihn gestört hätte. Stille legte sich über den Innenraum der Garage, als wären allmählich alle vereist worden.
Er atmete aus. Ihm war kalt geworden, obwohl er im Nacken schwitzte. Dort hatte sich der Schweiß in kleinen Tropfen gesammelt, die seinen Rücken herabflossen.
Ruhig konnte er nicht sein. Jetzt störte ihn die Stille, die er als bedrückend empfand. War die Sache nun beendet, oder würde das Poltern wieder von vorn
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