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Der Schakal

Der Schakal

Titel: Der Schakal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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sie an die Treppenbrüstung trat, hörte sie von der Halle her Stimmen. Ernestine fragte, was Monsieur wünsche.
    »Madame la baronne, elle est là?«
    Im nächsten Augenblick kam Ernestine, so schnell ihre alten Beine sie zu tragen vermochten, die Treppe heraufgelaufen.
    »Ein Herr fragt nach Ihnen, Madame.«
    An jenem Freitag war die allabendliche Besprechung im Innenministerium kürzer als üblich. Zu berichten gab es einzig und allein die Tatsache, daß es nichts zu berichten gab. Im Lauf der letzten vierundzwanzig Stunden war die Beschreibung des gesuchten Wagens den Polizeidienststellen in ganz Frankreich zugeleitet worden, und zwar, um keine Spekulationen hervorzurufen, auf dem in solchen Fällen gemeinhin üblichen Weg. Der Wagen war nicht gesichtet worden. Gleichzeitig hatte jedes Regionalkommando der Police Judiciaire alle örtlichen Kommissariate in den Stadt und Landkreisen seines Bereichs angewiesen, bis spätestens anderntags 8 Uhr morgens sämtliche Hotelanmeldeformulare ins Regionalkommando zu schaffen. Dort wurden sie umgehend überprüft. Auf keiner der nach Zehntausenden zählenden Anmeldungen tauchte der Name Duggan auf. Er konnte die letzte Nacht daher nicht in einem Hotel verbracht haben, jedenfalls nicht unter diesem Namen.
    »Wir müssen von zwei Möglichkeiten ausgehen«, erklärte Lebel einer schweigenden Zuhörerschaf t. »Entweder glaubt er sich noch immer unverdächtig, und seine Abreise vom Hôtel du Cerf war eine vorher nicht geplante Handlung, mit der er dem Anlaufen unserer Aktion rein zufällig zuvorkam. Dann besteht für ihn kein Grund, nicht ungeniert in aller Öffentlichkeit seinen Alfa zu fahren und seelenruhig unter dem Namen Duggan in Hotels abzusteigen. In diesem Fall muß er früher oder später entdeckt werden. Oder aber er hat auf irgendeine Weise Wind davon bekommen, daß wir ihm auf der Spur sind, und sich entschlossen, den Wagen irgendwo stehenzulassen und sich so durchzuschlagen. Sollte das der Fall sein, gibt es wiederum zwei Möglichkeiten.
    Entweder er hat keine weiteren Rollen parat, in die er schlüpfen kann; dann kommt er nicht weit, ohne sich in einem Hotel einzuschreiben oder eine Grenzstation zu passieren. Oder er hat eine weitere gefälschte Identität vorbereitet und bereits angenommen. In diesem Fall ist er nach wie vor ungemein gefährlich.«
    »Was veranlaßt Sie zu glauben, daß er eine weitere Identität parat haben könnte?« fragte Oberst Rolland.
    »Wir müssen davon ausgehen, daß dieser Mann, dem die OAS eine beträchtliche Summe Geldes für die Ausführung des Attentats geboten hat, zu den raffiniertesten Berufsmördern der Welt gehört. Das setzt voraus, daß er Erfahrung besitzt. Dennoch hat er es fertiggebracht, nie mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten und in keiner Kriminalakte verzeichnet zu sein. Das konnte ihm nur gelingen, wenn er seine Aufträge unter falschem Namen und getarnt durch verändertes Äußeres ausführte. Mit anderen Worten, er muß auch in der Verstellung ein Meister sein. Der Vergleich der beiden Photographien beweist uns, daß Calthrop seine Größe durch Tragen von Schuhen mit überhöhten Absätzen verändert, sein Gewicht um einige Kilo reduziert, seine Augenfarbe mittels Kontaktlinsen und seine Haarfarbe durch Färbemittel gewechselt hat, um Duggan zu werden. Und wenn er das einmal gekonnt hat, dürfen wir uns nicht den Luxus leisten, anzunehmen, er könne das nicht ein zweites Mal tun.«
    »Aber es gibt keinen Grund zur Annahme, daß er damit rechnet, entdeckt zu werden, bevor er in die Nähe des Präsidenten gelangt ist«, wandte Saint Clair ein. »Warum sollte er derart weitgehende Vorsichtsmaßregeln getroffen und eine zweite - oder womöglich noch mehrere - Tarnrollen vorbereitet haben?«
    »Weil er ganz offenbar grundsätzlich derart weitgehende Vorsichtsmaßregeln zu treffen pflegt«, sagte Lebel. »Täte er das nicht, hätten wir ihn inzwischen längst gefaßt.«
    »Ich entnehme dem uns von den britischen Behörden zugeleiteten Dossier Calthrops, daß er seine Militärpflicht gleich nach dem Krieg in einem Fallschirmjäger-Regiment ableistete. Vielleicht macht er sich seine dort erworbene Erfahrung im Überleben unter härtesten Bedingungen zunutze und hält sich in den Bergen versteckt«, gab Max Fernet zu bedenken.
    »Vielleicht«, räumte Lebel ein.
    »In dem Fall braucht er schwerlich noch als potentielle Gefahr erachtet zu werden.«
    Lebel dachte einen Augenblick lang nach.
    »Von diesem Mann möchte ich

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