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Der Schakal

Der Schakal

Titel: Der Schakal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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hatten ihn ermüdet und erschöpft. Er wußte sehr wohl, daß er erledigt war, wenn er sich täuschte. Dafür würden einige von den Männern, die an diesem Tisch saßen, schon sorgen. Und wenn er sich nicht täuschte? Wenn der Schakal es nach wie vor auf den Präsidenten abgesehen hatte? Wenn er durch die Maschen des Netzes schlüpfte und bis zu seinem Opfer vordrang? Es war ihm klar, daß die in dieser Runde Versammelten dann verzweifelt nach einem Prügelknaben suchen würden. Und den würde er abgeben. So oder so war seine Laufbahn als Polizeibeamter zu Ende. Es sei denn - es gelang ihm, den Mann aufzuspüren und an der Tat zu hindern. Natürlich hatte er keine Beweise; nur die merkwürdige innere Gewißheit, mit der er diesen Herren natürlich nicht kommen durfte, daß der Mann, den er jagte, ebenfalls ein Profi war, der seinen Auftrag ausführen würde, koste es, was es wolle.
    In den acht Tagen, die er diese Geschichte nun am Hals hatte, war er allmählich dazu gelangt, vor dem Mann mit dem Mördergewehr, der sein Vorhaben bis ins einzelne durchdacht und dabei alle nur denkbaren Eventualitäten eingeplant zu haben schien, eine Art widerwilliger Hochachtung zu empfinden. Dergleichen in diesem Kreis von meist durch politische Ernennungen zu Amt und Würden gelangten Funktionären auch nur anzudeuten, wäre jedoch seinem beruflichen Selbstmord gleichgekommen. Lediglich die Anwesenheit Bouviers, der, den massigen Kopf zwischen die Schultern gezogen, neben ihm saß und vor sich auf die Tischplatte starrte, empfand er als einigermaßen tröstlich. Er war wenigstens auch Detektiv.
    »Worauf, weiß ich nicht«, entgegnete Lebel. »Aber er wartet auf etwas oder wartet irgend etwas ab, einen bestimmten Tag vielleicht. Ich habe das Gefühl, meine Herren, daß sich das Thema ›Schakal‹ für uns noch nicht erledigt hat. Warum ich dieses Gefühl habe, kann ich freilich selber nicht erklären.«
    »Gefühl!« mokierte sich Saint Clair. »Einen bestimmten Tag! Kommissar, Sie lesen offenbar zu viele romantische Abenteuergeschichten. Aber wir haben es nicht mit der Romantik zu tun, sondern mit der Wirklichkeit. Der Mann hat sich aus dem Staub gemacht, mehr gibt es darüber nicht zu sagen.« Er lehnte sich im Sessel zurück und lächelte selbstgewiß.
    »Hoffentlich haben Sie recht«, sagte Lebel leise. »In diesem Fall darf ich Sie, Monsieur le Ministre, bitten, mich von der Leitung der Ermittlungen zu entbinden und wieder meine normalen kriminalpolizeilichen Obliegenheiten wahrnehmen zu lassen.«
    Der Minister sah ihn unschlüssig an.
    »Glauben Sie, es hat Sinn, die Ermittlungen fortzusetzen, Kommissar?« fragte er. »Besteht Ihrer Meinung nach noch immer Gefahr?«
    »Was die zweite Frage anlangt, so kann ich darauf nur sagen: Ich weiß es nicht. Hinsichtlich der ersten bin ich der Meinung, daß wir mit den Nachforschungen so lange fortfahren sollten, bis wir unserer Sache absolut sicher sind.«
    »Also gut. Meine Herren, ich wünsche, daß der Kommissar seine Ermittlungen fortsetzt und wir weiterhin jeden Abend zusammenkommen, um uns von ihm laufend berichten zu lassen ­ vorerst jedenfalls noch.«
    Auf der Jagd nach schädlichem Getier verfolgte Marcange Mallet am Morgen des 20. August als Wildhüter der zwischen Egletons und Ussel im Département Corrèze gelegenen Waldungen seines Arbeitgebers eine angeschossene Waldtaube, die in ein dichtes Rhododendrongebüsch gefallen war. In der Mitte des Gebüschs fand er die Waldtaube, die flügelschlagend auf dem Fahrersitz eines Sportwagens hockte, der offenkundig verlassen worden war.
    Zunächst hatte er, während er dem Vogel den Hals umdrehte, angenommen, daß der Wagen von einem Liebespaar abgestellt worden war, das entgegen dem Verbotsschild, welches er am achthundert Meter entfernten Eingang zum Forst angenagelt hatte, im Wald picknicken wollte. Dann stellte er jedoch fest, daß einige von den Zweigen, die den Wagen vor der Sicht verbargen, in den Boden hineingesteckt waren. Bei näherer Untersuchung entdeckte er an anderen Rhododendronbüschen, die in der unmittelbaren Umgebung des Fundorts wuchsen, die Stümpfe, von denen die Äste abgeschnitten worden waren. Er mußte scharf hinschauen, um sie zu sehen, denn die weißen Schnittflächen waren sorgfältig mit Erde beschmiert worden, damit sie nicht auffielen.
    Dem Vogeldreck auf den Sitzen nach zu urteilen, mußte der Wagen zumindest schon seit ein paar Tagen dort gestanden haben. Der Wildhüter packte die Taube und sein

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