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Der Schatten des Chamaeleons

Titel: Der Schatten des Chamaeleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters Mechtild Sandberg-Ciletti
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spottbillig. Ein Freund hat es uns besorgt.« Sie hatte eine Taschenlampe bei sich und richtete den Lichtstrahl zu einer Treppe. »Meine Partnerin ist oben, den drei anderen habe ich gesagt, sie sollen in der Küche bleiben. Die beiden Schizophrenen haben wahrscheinlich vor Ärzten mehr Angst als vor Kerlen.« Sie ging ihnen voraus ins obere Stockwerk und öffnete eine Tür. »Mags wird sich nicht von einem Kerl anglotzen lassen wollen«, sagte sie zu Jackson und wies mit dem Kopf auf Acland. »Er muss draußen warten.«
    Über Avrils Kopf hinweg konnte Acland eine übergewichtige Frau mit aufgedunsenen Beinen erkennen, die in einem niedrigen
Sessel saß. Selbst im Kerzenlicht war ihr Gesicht talgig, und nach dem ängstlichen Blick zu schließen, mit dem sie ihnen entgegensah, wusste sie, dass sie etwas erfahren würde, was sie nicht hören wollte. Acland meinte trotz seines ungeschulten Auges zu erkennen, dass hier der Tod schon auf der Schwelle stand, und er zog sich instinktiv in den Flur zurück, wo er an die Wand gelehnt stehen blieb und wartete.
    »Rufen Sie, wenn Sie mich brauchen«, sagte er zu Jackson. »Ich bin hier.«
    Sie nickte und ging ins Zimmer. Als die Tür hinter ihr zufiel, wurde es stockfinster im Flur, nur durch den Treppenschacht schimmerte schwaches Licht von unten. Anfangs konnte Acland einzig die murmelnden Stimmen im Zimmer nebenan hören, aber ähnlich wie seine Augen sich auf die Dunkelheit einstellten, stellte sich sein Gehör auf die gedämpften Geräusche im Haus ein. Er konnte die Stimmen der Frauen in der Küche unterscheiden - eine war lauter und verdrießlicher im Tonfall als die Übrigen -, allerdings konnte er nicht verstehen, was gesprochen wurde. Weniger erwartet war das unterdrückte Räuspern, das er aus dem Zimmer direkt gegenüber vernahm.
    Erst glaubte er, es wäre vielleicht eine Täuschung infolge des Tinnitus, und drehte den Kopf, um mit dem gesunden Ohr zu lauschen. Diesmal hörte er das Geräusch ganz deutlich. Wer immer auch dort hinter der Tür war, versuchte krampfhaft, einen Raucherhusten zu unterdrücken, indem er den Schleim so lange wie möglich bei sich behielt, bis schließlich die Notwendigkeit, ihn auszustoßen, einen krampfartigen Reizhusten auslöste. Es gab keinen Hinweis auf das Geschlecht des Hustenden - was er hörte, waren tonlose Kehllaute -, aber da kein Licht unter der Tür herausdrang und Acland sich nicht vorstellen konnte, dass eine Frau sich aus Angst, Aufmerksamkeit zu erregen, in schwärzeste Finsternis setzen würde, sagte er sich, es müsse ein Mann sein.
    Er verschränkte die Arme und wartete weiter.

    Jackson schüttelte verärgert den Kopf, als sie zum Wagen zurückgingen. »Mags konnte mir überhaupt nichts über Chalky erzählen und war sauer, als ich sagte, dass sie sich bewegen und abnehmen muss. Ihrem Herzen fehlt gar nichts. Sie ist nur fett und faul, und Avril möchte gern, dass sie so bleibt.«
    »Ich finde, sie sah ziemlich krank aus.«
    »So würden Sie auch aussehen, wenn Sie nie ans Tageslicht kämen und Ihre Partnerin Sie mit Hamburgern und Chips mästen würde«, gab Jackson grimmig zurück. »Das ist eine echt ungesunde Beziehung. Avril ist es ganz recht, wenn diese alberne Person völlig abhängig von ihr ist.«
    »Warum?«
    »Weiß der Himmel. Angst vor dem Alleinsein - das Gefühl unentbehrlich zu sein -, ein fehlgeleiteter Mutterinstinkt. Für Mags wäre es das Beste, auf der Stelle aufzustehen und zu gehen.« Gereizt drückte Jackson auf die Fernbedienung zur Entriegelung der Türen des BMW. »Avril ist der klassische Fall einer kontrollierenden Persönlichkeit. Sie manipuliert die Leute, indem sie ihnen gibt, was sie wollen. Wie Bens Mutter. Genauso ist die auch.«
    »Dann war Ihnen Avril nicht sympathisch?«
    Jackson lachte und öffnete den Kofferraum, um die Tasche hineinzustellen. »Der würde ich keinen Schritt über den Weg trauen. Sie?«
    »Nein«, sagte Acland mit einem Anflug von Ironie. Er öffnete ihr die Tür und trat mit einer einladenden Geste zurück. »Aber ich kenne mich mit Frauen überhaupt nicht aus.«
    Jackson zog eine Augenbraue hoch. »In Bezug auf diese hier jedenfalls ganz sicher nicht. Sehe ich aus, als könnte ich eine Autotür nicht selbst aufmachen?«
    Er wich sofort zurück. »Entschuldigung. Die Macht der Gewohnheit.«
    »Der letzte Mann, der mich unbedingt wie ein Porzellanpüppchen behandeln wollte, war mein Großvater«, bemerkte sie, zog
ihre Jacke aus und warf sie auf den Rücksitz.

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