Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Schatten des Chamaeleons

Titel: Der Schatten des Chamaeleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters Mechtild Sandberg-Ciletti
Vom Netzwerk:
und Türen, von denen der Lack blätterte. Allein wäre Acland niemals hineingekommen, aber Jackson fand Gnade, nicht zuletzt, weil sie klug genug war, das »Arzt im Dienst«-Schild hochzuhalten, während man sie durch das gesprungene Glas eines Rautenfensters in der Haustüre inspizierte.
    Die Tür wurde einen Spalt aufgezogen. »Wer sind Sie? Was wollen Sie?«, fragte eine Frau mit eingefallenem Gesicht und krausem grauem Haar, die ebenso gut vierzig wie sechzig hätte sein können.
    »Ich bin Dr. Jackson, und mein Freund hier ist Charles Acland. Wir suchen einen gewissen Chalky.«
    »Die Polizei war schon bei uns. Wir haben ihn nicht mehr gesehen, seit wir hier eingezogen sind, das war vor ungefähr zwei Monaten.«
    »Das hörte ich«, sagte Jackson, »aber vielleicht können Sie uns doch einige Auskünfte geben. Wären Sie und die anderen bereit, zehn Minuten mit uns zu sprechen und uns zu sagen, was Sie über ihn wissen - wo er sich eventuell aufhalten könnte? Es geht um einen Freund von ihm, der im Krankenhaus liegt.«
    »Chalky hat keine Freunde«, erklärte die Frau geringschätzig. »Es endet immer damit, dass keiner mehr etwas mit ihm zu tun haben will. Er ist brutal, wenn er betrunken ist.«
    »Dieser Freund ist ein Junge namens Ben Russell.«
    »Was fehlt ihm denn?«
    »Er ist vor ein paar Tagen in ein diabetisches Koma gefallen«, erklärte Jackson, »aber inzwischen geht es ihm wieder besser. Vielleicht kennen Sie ihn? Rotblondes Haar, sechzehn Jahre alt, spindeldürr.«
    »Nein.«

    »Wir glauben, dass Chalky etwas bei sich hat, was dem Jungen gehört.«
    »Würde mich nicht wundern. Er klaut immer den Schnaps, wenn er bei uns ist.« Offenbar glaubte sie, das widerspreche ihrer früheren Behauptung, Chalky habe keine Freunde. »Wir sitzen alle in einem Boot, verstehen Sie, und er hat uns ab und zu mal einen Gefallen getan - hat mal ein paar aufdringliche Kerle verscheucht, die glaubten, wir wären leichte Beute für sie. Sind Sie eine richtige Ärztin?«
    Jackson nickte.
    Schwaches Interesse zeigte sich in dem eingefallenen Gesicht. »Würden Sie sich meine Partnerin mal ansehen? Sie hat seit Tagen Schmerzen in der Brust. Ich hab ganz schön Schiss deswegen, aber sie weigert sich, was zu tun. Dafür sag ich ihr dann, sie soll Ihnen alles über Chalky erzählen. Sie kennt ihn besser als ich.«
    »Gern«, sagte Jackson. Sie wies auf Acland. »Aber mein Freund muss mit reinkommen. Ist das ein Problem?«
    Die Frau warf einen Blick auf ihn. »Er darf nur keine Angst vor kreischenden Lesben haben. Wir haben hier zwei Verrückte, die schreien wie am Spieß, sobald ein Mann aufkreuzt. Die flippen wahrscheinlich total aus, wenn sie den Piraten sehen.«
    »Er ist Soldat«, erklärte Jackson sachlich. »Er hatte im Irak mit viel schlimmeren Dingen zu tun.« Sie nahm ihre Schlüssel aus der Tasche. »Wie heißen Sie?«
    »Avril.«
    »Und Ihre Partnerin?«
    »Mags.«
    »Okay, Avril. Mein Wagen steht eine Straße weiter. Ich brauche fünf Minuten, um meine Tasche zu holen.«
    Avril öffnete die Tür fast bis zum Anschlag. »Das kann doch Ihr Freund erledigen«, meinte sie. »Dann können Sie inzwischen schon mal mit Mags reden.«
    »Das geht leider nicht.« Jackson war erheitert. »Er weiß nicht,
welche Medikamente er herausnehmen muss - und wenn er allein wiederkommt, lässt er sich vielleicht von einer Ihrer verrückten Freundinnen beschwatzen, die Tasche abzugeben, und wird vor die Tür gesetzt.«
    Avril war entrüstet. »Wir sind doch keine Diebinnen.«
    »Gut, denn etwas Stärkeres als Aspirin werde ich nicht mithaben, wenn ich zurückkomme, und Charles wird gut auf mich aufpassen. Behaupten Sie immer noch, dass Ihre Partnerin Schmerzen in der Brust hat?«
    »Wollen Sie mich vielleicht eine Lügnerin nennen?«
    »Ich wollt’s nur wissen«, sagte Jackson leichthin.
     
    Als Jackson und Acland das Haus schließlich betraten, bekamen sie ernsthafte Zweifel an Avrils Beteuerungen, absolut ehrlich zu sein. Nach dem zu urteilen, was sie in den Erdgeschossräumen sahen, hatten die Frauen einen ganzen IKEA-Transporter entführt. Sie schienen eine Leidenschaft für Rattansessel, Strohteppiche und rostfarbene Überwürfe zu haben, und alles hätte wie in einem ganz normalen Haus ausgesehen, hätten nicht überall die Sturmlampen und Kerzen herumgestanden, die wegen des abgeschalteten Stroms und der verbretterten Fenster gebraucht wurden.
    »Alles made in China«, bemerkte Avril Fragen zuvorkommend, »und daher

Weitere Kostenlose Bücher