Der Schatten des Chamaeleons
einem Anflug von Ironie. »Der Junge versteht es, andere zu manipulieren.«
17
Aus irgendeinem Grund, den zu erklären er nicht für notwendig hielt, hatte Acland angefangen, Jackson zu begleiten. Seit Superintendent Jones ihn unter der Bedingung auf freien Fuß gesetzt hatte (gegen Kaution diesmal), dass er seinen Wohnsitz im Bell nehme und sich der Polizei zur Verfügung halte, schien es, als wäre er mit einem natürlichen Radarsystem ausgestattet, das ihm genau sagte, was Jackson gerade tat. Solange sie im Pub war, hielt er sich in seinem Zimmer auf, aber immer wenn sie zu ihrem Wagen ging, sei es Tag oder Nacht, fand sie ihn dort wartend. Wenn sie zu einem Hausbesuch musste, blieb er draußen auf der Straße; wenn es angebracht war, mit ihr zu gehen, tat er es.
Daisy ging er langsam auf die Nerven. Sie meinte, er mache Jackson letztlich mitverantwortlich für die Kautionsbedingungen, die er erfüllen musste. »Es ist nicht deine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass er sich benimmt«, sagte sie gereizt. »Sag ihm, er soll dich in Ruhe lassen.«
»Ich hab eigentlich nichts dagegen, wenn er mitkommt«, erklärte Jackson unbefangen. »Er stört mich nicht.«
Aber das gefiel Daisy noch weniger. »Na, für euch bin ich sowieso nur Luft«, sagte sie bitter.
Acland, der sich der von ihm heraufbeschworenen Spannungen bewusst war, trat einen Schritt vom Wagen weg, als Jackson um die Ecke bog. Wie gewöhnlich spielte sie im Gehen mit ihrem
Handy, aber er verstand inzwischen, dass sie das nur tat, um Blickkontakt mit den Leuten zu vermeiden, an denen sie vorüberkam.
Der Zyniker in ihm sagte, sie könne zumindest bis zu einem gewissen Grad über ihr Aussehen bestimmen. Sicher, sie war groß, aber niemand zwang sie, Arnold Schwarzenegger nachzumachen oder diesen Muskelprotz aus Brüssel, Jean-Claude Van Damme.
Bei einer der wenigen Gelegenheiten, als er mit Daisy allein gewesen war - er suchte das stets zu vermeiden -, hatte er sie gefragt, ob Jackson schon einmal an einem Bodybuilding-Wettbewerb für Frauen teilgenommen habe.
Daisys Antwort war vernichtend gewesen. »Machen Sie sich nicht lächerlich. Haben Sie sich mal die Fotos von diesen Frauen im Netz angesehen? Sie müsste künstlich gebräunt im Bikini herumstolzieren und sich den Busen mit Silikon vollstopfen lassen. Können Sie sich vorstellen, dass Jackson sich zu so etwas hergeben würde?«
Nein, das konnte er nicht. Jackson war zu sehr Individualistin, um sich einem allgemein gefälligen Image anzupassen.
Als sie jetzt näher kam, versuchte er, sie sich im Bikini mit melonengroßen Brüsten und bronzeglänzender Haut vorzustellen, aber leicht ließ dieses Bild sich nicht hervorbringen. »Hat es etwas gebracht?«, fragte er.
»Nicht viel. So halb hat er zugegeben, dass er der Polizei einen Haufen Lügen aufgetischt hat, aber nur, weil ich ihn auf ein paar Widersprüche in seiner Geschichte hingewiesen habe. Ich hätte gut noch eine halbe Stunde brauchen können. Seine Mutter kam genau in dem Moment wieder, als es ein bisschen voranging.«
»Was für Widersprüche?«
»Bei den Zeiten. Wenn er wirklich so schlecht beieinander war, wie er behauptet, als er sich das Handy schnappte, muss das vor kurzem gewesen sein; aber der Polizei hat er erzählt, er hätte es
vor zwei bis vier Wochen einem dunkelhaarigen Mann gestohlen.« Sie lächelte dünn. »Oder einer ›eher großen‹ Frau. Er benutzt seinen Diabetes als Entschuldigung für Verwirrung.«
»Hat er mich erwähnt?«
»Nein.« Jackson sah erstaunt, dass seine Schultern sich ein wenig lockerten. »Hatten Sie das denn erwartet?«
»Es hätte ja sein können, dass er sich aus dem Hinterhof an mich erinnert.«
»Sich erinnern ist nicht seine Sache«, sagte sie zynisch. »Je schlechter sein Gedächtnis ist, desto weniger Fragen muss er beantworten.«
»Was werden Sie dem Superintendent sagen?«
»Ich weiß nicht. Ich bin ein bisschen in der Zwickmühle. Ich habe ein Versprechen gegeben, das ich gern halten würde - obwohl ich glaube, dass er gelogen hat wie gedruckt.« Sie verzog das Gesicht. »Ich wollte ihn überreden, aus freien Stücken reinen Tisch zu machen, aber ich kann mir inzwischen nicht mehr vorstellen, dass er das tun wird - jedenfalls nicht solange seine Mutter in der Nähe ist.«
»Könnten Sie Jones nicht sagen, dass es sich lohnen könnte, noch einmal mit ihm zu sprechen? Das wäre doch kein Vertrauensbruch, oder?«
»Nein.« Jackson schob ihr Handy wieder in die Tasche. »Aber
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