Der Schatten des Chamaeleons
das?«
Jones nahm eine Fünf-Pfund-Note und legte sie auf den Tresen.
»Ja, das stimmt«, bestätigte er ebenso freundlich. »Ich bin Superintendent Brian Jones, und das ist Inspector Nick Beale.«
»Derek Hardy. Ich habe mich schon gewundert, wieso Sie nicht früher vorbeigekommen sind. Walter ist seit dreißig Jahren jeden Abend hier, jedenfalls hat man mir das erzählt. Die kennen ihn hier alle.«
»Und wieso sind Sie nicht auf die Idee gekommen, uns anzurufen? Wir hatten bis eben keine Ahnung, dass er hier Stammgast ist.«
Hardy stellte das erste Glas auf einen Untersetzer und begann, das zweite zu zapfen. »Kann ich nichts dafür, Chef. Ich hab gleich am Tag nach dem Überfall die Hotline angerufen und keinen Piep von euch gehört.« Er wies mit einer Kopfbewegung auf den Mann, mit dem er sich unterhalten hatte. »Pat ist es genauso gegangen. Er hat zweimal angerufen, beide Male haben sie ihm erklärt, sie hätten alles aufgenommen - und dann ist nichts mehr passiert.«
Jones runzelte die Stirn. »Das tut mir leid.«
»Meine Frau meinte, Sie werden wahrscheinlich mit Anrufen überschüttet. Sie sagte, ich soll selbst aufs Revier gehen.« Er stellte das zweite Glas auf den Tresen und lachte. »Für morgen hatte ich es mir vorgenommen, und jetzt kommen Sie daher. Perfektes Timing nenn ich so was!« Er nahm Jones’ Geldschein. »Vier achtundvierzig, Chef. Darf’s sonst noch was sein?«
»Nein, danke.« Er wartete, bis der Mann mit dem Wechselgeld zurückkam. »Was gibt’s denn so Wichtiges, dass Sie persönlich zu uns kommen wollten?«
»Ich weiß nicht, ob es wichtig ist«, erklärte Hardy, während er Jones das Kleingeld in die Hand legte, »aber es ist auf jeden Fall ein verdammt komischer Zufall.« Er stützte sich mit verschränkten Armen auf den Tresen. »Einer der Stammgäste hier war ein gewisser Harry Peel. Bis er eines Tages vor fast einem Jahr totgeprügelt worden ist. Das war vor meiner Zeit - meine Frau und ich haben das Pub erst zu Jahresbeginn übernommen
-, aber Walter hat ab und zu einmal davon gesprochen. Er sagte, Sie hätten den Kerl, der das getan hat, nie geschnappt.«
»Stimmt.«
»Na ja, nachdem Walter am letzten Freitag zusammengeschlagen worden war, kriegte Pat Angst, dass er der Nächste auf der Liste sein könnte.«
»Auf welcher Liste?«
»Von dem Kerl, der es auf Harry und Walter abgesehen hatte. Die drei waren nämlich dicke Freunde.«
Jones blickte zu dem alten Mann hinüber, der am anderen Ende der Bar saß. »Ist das Pat?«
»Ja. Wollen Sie mit ihm sprechen?«
»Gern.« Als Hardy außer Hörweite war, wandte er sich Beale zu. »Schauen Sie doch mal in der Herrentoilette nach. Es ist wahrscheinlich Zeitverschwendung, aber vielleicht liegen ein paar Karten da.«
»Jetzt?«
»Warum nicht? Es wird bestimmt fünf Minuten dauern, bevor der alte Knabe in Fahrt kommt. Er sieht schlechter aus als Walter.«
Es hätte Jackson nicht überrascht, wenn Acland wieder verschwunden gewesen wäre. Er hatte vorhin nicht erklären wollen, was seine Bemerkung, dass er Jen für ein bisschen klüger gehalten hätte, bedeuten sollte, und er hatte auch keinerlei Neigung gezeigt, sich über die Beziehung zu ihr weiter auszulassen. Das Überraschende war eigentlich, dass er nun, als Jackson von ihrem Patientenbesuch zurückkam, neben dem Wagen stand und aus eigenem Antrieb wieder auf Jen zu sprechen kam.
»Wir waren nie irgendwo in Bermondsey«, sagte er unvermittelt. »Mit Ihnen sehe ich mehr von der Stadt als mit Jen.«
»Hatte das einen bestimmten Grund?«
»Ich hatte mal, kurz nachdem wir uns kennengelernt hatten, einen Tisch in einem Restaurant reserviert - ich wollte ihr zeigen,
dass ein Soldat an den Wochenenden ein ziemlich normales Leben führt, wenn er nicht gerade auf Manöver oder im Krieg ist -, aber ich musste den Tisch abbestellen, als sie hörte, wohin ich mit ihr gehen wollte. Sie sagte, sie hätte schon genug davon, dass jeder Kerl auf der Straße sie anzumachen versuche, sie könne darauf verzichten, dass auch noch die Kellner Schlange stehen. Damals war ich so naiv, ihr zu glauben.«
»Und was glauben Sie jetzt?«
»Dass sie Angst hatte, uns würde ein Dealer oder ein Freier über den Weg laufen. Sie ist immer nur mit mir ausgegangen, wenn wir mit meinem Wagen oder mit dem Taxi gefahren sind. Wir haben nie die Untergrundbahn oder einen Bus genommen, wir sind von ihrer Wohnung aus nie zu Fuß irgendwohin gegangen.« Er schüttelte den Kopf. »Und ich habe ewig
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