Der Schatten des Chamaeleons
gebraucht, bis mir das seltsam vorkam.«
»Das ist doch verständlich, wenn Sie immer nur an den Wochenenden mit ihr zusammen waren«, meinte Jackson. »Es wäre Ihnen viel früher aufgefallen, wenn Sie mit ihr zusammengelebt hätten. Hatten Sie denn Pläne für später, nach der Hochzeit? Haben Sie sich je darüber unterhalten?«
»Sie hat sich Häuser in Chelsea angeschaut, weil meine Mutter bei dem allereinzigen Treffen, das es gab, die grande dame gespielt hat. Jen glaubte daraufhin, meine Eltern wären schwerreich und würden uns finanziell unter die Arme greifen. Ich versuchte, ihr klarzumachen, dass sie sich täuschte, aber sie wollte mir das nicht abnehmen.«
»Hat sie auch Familie?«
Er quetschte seine Fäuste gegeneinander. »Ich weiß es nicht. Mir hat sie erzählt, sie wäre ein Einzelkind und ihre Eltern wären tot. Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass das stimmt.«
»Warum nicht?«
»Sie vergaß, was für eine Geschichte sie über sie erfunden hatte. Am Anfang war ihr Vater bei einer Bank, und am Schluss war er ein Staranwalt.«
»Sie wollte Sie beeindrucken.«
»Dann hätte sie aufrichtig sein sollen«, sagte er kurz. »Es wäre mir egal gewesen, aus was für einem Elternhaus sie kommt.«
Jackson glaubte ihm. Er war kein Snob wie offenbar seine Mutter. »Und wo wollten Sie leben?«, fragte sie, auf ihre ursprüngliche Frage zurückkommend. »Es hört sich nicht so an, als hätte Jen in Bermondsey bleiben wollen.«
»Auf keinen Fall. Sie wollte nach oben, und ich war der Idiot, der ihr als Sprungbrett dienen sollte. Nur aus dem Grund hat sie sich mich geschnappt.«
In seiner Stimme schwang etwas mit, das wie Schmerz klang, und Jackson wusste nicht recht, wie sie darauf reagieren sollte. Wollte er Trost? Die Versicherung, dass er sich nicht so leicht hatte hereinlegen lassen, wie er glaubte?
»So krass war es sicher nicht«, meinte sie bedächtig. »Sie sagten, dass Sie sie ganz zu Anfang mochten. Ihre Gefühle für Sie müssen also echt gewesen sein. Vielleicht hat sie sogar Ihnen zuliebe versucht, von der Sucht loszukommen.« Sie gab ihm Zeit, etwas zu antworten, und fuhr zu sprechen fort, als er das nicht tat. »Sie ist drogenabhängig, Charles. Die meisten wollen nichts lieber, als von der Droge wegkommen - es lässt sie nicht kalt, wie ihr Verhalten sich auf die Menschen auswirkt, die sie lieben -, aber nur ein sehr geringer Prozentsatz schafft es ohne professionelle Hilfe.«
Er drückte den Daumen gegen die Augenklappe. »Dann versuchen Sie doch selbst mal Ihr Glück. Sie wissen, wo sie wohnt. Sie wird Ihnen vielleicht sogar besser gefallen als Daisy. Solange der erste Rush anhält, wird sie die Hände nicht von Ihnen lassen.«
Jackson ließ einen Moment des Schweigens verstreichen. »Das habe ich nicht verdient - und nur, damit es gesagt ist: Ich habe für Drogenabhängige nichts übrig, sie sind mir viel zu labil. Aber selbst wenn es anders wäre«, fuhr sie fort, während er eine Entschuldigung murmelte, »würde ich mich von so einer Frau nicht
zur Märtyrerin machen lassen. Jen brauchte also den Rush, um Lust zu bekommen? Na und, was ist daran so schlimm?«
Er sagte nichts.
»Kränkt Sie das in Ihrem Stolz? Glauben Sie, dass sie nur mit irgendwelchen Hilfsmitteln mit Ihnen konnte?«
Abrupt beugte sich Acland vor und bohrte die Knöchel seiner linken Faust in die leere Augenhöhle. »Halten Sie an«, stieß er mit zusammengebissenen Zähnen hervor.
Sie bemerkte seine Blässe. »Im Handschuhfach ist eine Spucktüte«, sagte sie mitleidlos. »Ich halte an, wenn es möglich ist.«
»Nein.« Acland packte mit der rechten Hand das Lenkrad und riss den Wagen nach links. »Sie machen mich fertig. Frauen machen mich fertig.«
Jackson trat auf die Bremse und steuerte mit aller Kraft dagegen, um zu verhindern, dass der BMW in eine Reihe geparkter Autos raste. »Nehmen Sie die Hände weg!«, schrie sie Acland an. »Sofort!«
Einen Moment schien es, als würde er loslassen, dann aber packte er von Neuem zu und zog das Lenkrad nach rechts, um den Wagen unter Ausnutzung der Kraft, die Jackson bereits ausübte, zur anderen Straßenseite hinüberzukatapultieren. Es ging so schnell, dass sie nichts dagegen machen konnte. Sie sah einen beleuchteten Pfosten in der Straßenmitte auf sich zurasen, spürte, wie der rechte Vorderreifen den Bordstein rammte, und wusste in dem Moment, dass er sie umbringen wollte.
Sie reagierte automatisch. Sie hob die Hand vom Lenkrad, stieß ihm den Ellbogen
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