Der Schatten des Chamaeleons
wieder diesen großäugigen Unschuldsblick. »Ich bin wirklich gern bereit, später zu Ihnen zu kommen.«
»Heißt das, Sie lehnen es ab, mit uns zu kooperieren, Ms. Morley?«
»Nur weil Ihre Forderung wirklich nicht zumutbar ist.«
»Dann lassen Sie mir keine andere Wahl, als von dem ›Police and Criminal Evidence Act‹ Gebrauch zu machen, Ms. Morley, und ihre Wohnung aus zwingenden Gründen auf der Stelle zu durchsuchen. Die Constables Wagstaff und Hicks von der Polizeidienststelle Southwark East -«
Ihr Verhalten schlug augenblicklich um. Plötzliche Wut verzerrte ihr Gesicht. »Das ist doch nur eine billige Drohung«, fuhr sie ihn an. »Ich habe Ihnen keinerlei Anlass zu dem Verdacht gegeben, ich könnte illegale Drogen bei mir haben.«
»Ein Verdächtiger kann auf Grund eines Hinweises angehalten und durchsucht werden, Ms. Morley. Kurz vor Mitternacht wurde ein Mann namens Lemarr Wilson, auch als Duane Stewart bekannt, verhaftet. Seine Aussage legt nahe, dass Sie Drogen in Ihrem Besitz haben. Constable Wagstaff wird Ihnen vor Beginn der Durchsuchung Ihre Rechte erklären.«
»Sie lügen.«
»Er hat uns eine sehr gute Beschreibung einer Frau geliefert, die gestern Abend gegen halb neun fünfhundert Milligramm Kokain bei ihm gekauft hat. Er kennt Sie unter dem Namen Cass.« Beale lächelte dünn. »Sie sind eine auffallend gutaussehende Frau, Ms. Morley. Zu auffallend. Ich habe Sie mit eigenen Augen beobachtet, nachdem Sie den Stoff gekauft hatten. Das hat uns überhaupt erst zu Lemarr Wilson geführt.«
In ihren Augen flackerte Furcht, aber sie versuchte, sich zusammenzunehmen. »Ich werde Ihre Fragen auf der Dienststelle beantworten. Deswegen sind Sie doch hergekommen, nicht wahr?«
Beale ging überhaupt nicht auf die Bemerkung ein. »Sollten bei Ihnen Drogen gefunden werden, Ms. Morley, werden Sie verhaftet. Ferner wird im Rahmen der erweiterten Befugnisse, die eine solche Festnahme mit sich bringt, Ihre Wohnung durchsucht werden.«
»Ich kann mich weigern, mich von Männern durchsuchen zu lassen«, zischte sie. »Sie hätten eine Frau mitbringen sollen.«
»Sie kennen das Gesetz nur unzulänglich, Ms. Morley. Aber zu Ihrer Beruhigung...«, er hob die Hand und winkte jemandem, der in seinem Auto saß, »... meine Kollegin, Constable Barnard, wird die Durchsuchung durchführen, sobald Sie Ihre Handtasche und den Inhalt Ihrer Kleidertaschen vor sich auf den Boden gelegt und sich von ihnen entfernt haben.«
Jen Morley blickte der Polizeibeamtin entgegen, und plötzlich verwandelte ein Lächeln ihr Gesicht. »Hallo«, sagte sie locker und freundlich. »Tut mir leid, aber ich war nicht gerade scharf darauf, mich von Ihren Kollegen abtasten zu lassen.«
Die Beamtin, die eine kleine Tasche bei sich hatte, blieb neben Beale stehen. Sie war eine stramme Vierzigerin mit fünfzehn Jahren Polizeierfahrung und musterte Jen Morley erheitert. »Jeder nach seinem Geschmack«, meinte sie. »Ich an Ihrer Stelle hätte mich für die Männer entschieden. Frauen sind bei Frauen viel gründlicher.«
Beale gab Wagstaff mit einem Nicken das Zeichen, Jen Morley auf ihre Rechte aufmerksam zu machen. Als der Constable geendet hatte, sagte Beale: »Alles auf den Boden legen, bitte, Ms. Morley, auch den Gegenstand, den Sie in der Hand haben.«
Jen Morley öffnete die Hand. »Es ist nur ein Alarmgerät.« Sie schob das Gerät in ihre lederne Umhängetasche, schloss die Klappe und stellte sie auf den Boden. »Mehr habe ich nicht.« Sie trat zurück.
Die Beamtin kniete nieder, zog ein quadratisches Stück Abdeckfolie aus ihrer Tasche und breitete es auf dem Gehsteig aus. Nachdem sie Handschuhe angelegt hatte, hakte sie einen etwa 30 cm langen Greifstock in den Riemen der Umhängetasche und zog diese damit auf die Folie.
»Die meisten dieser Elektroschocker wirken auch durch dicke Kleidung hindurch«, erklärte sie Beale, »selbst durch Leder.« Sie mied die Berührung mit dem Metallschloss, als sie die vordere
Klappe der Tasche mit den beiden Klauen des Greifstocks aufschlug, um hineinschauen zu können. »Es ist eindeutig ein Elektroschocker«, bestätigte sie. »Das Modell heißt Small Fry und hat eine Spannung von einer Million Volt. Das rote Licht zeigt an, dass es einsatzbereit ist.« Sie lehnte sich etwas zurück, um Beale über ihre Schulter sehen zu lassen.
»Wie macht man das Ding aus?«
»An der Seite müsste eine Vorrichtung sein. Aber es ist sicherer, wenn ich erst mal alles auf die Folie kippe. Ich habe
Weitere Kostenlose Bücher