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Der Schatten des Chamaeleons

Titel: Der Schatten des Chamaeleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters Mechtild Sandberg-Ciletti
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zu leben.«

    »Und was war gestern Abend?«
    »An der Schlägerei war keine Migräne schuld, sondern so ein blöder, großmäuliger Affe, der mich angerempelt hat. Und es hat auch nichts damit zu tun, dass er Moslem war. Heute Morgen am Geldautomaten hat ein ganz normaler alter Mann mich mit dem Finger in den Rücken gestupst, und ich hätte beinahe wieder zugeschlagen. Ich halt’s nicht aus, wenn mich jemand anfasst.«
    »Das habe ich schon gemerkt, als Sie das letzte Mal hier waren.« Sie lächelte ein wenig. »Aber ich habe nicht gefragt, warum Sie die Beherrschung verloren haben, Charles. Ich wollte wissen, wieso Ihre Methode, mit dem Schmerz umzugehen, nicht gewirkt hat. Sie sagen, Sie können mit der Migräne leben , aber dann bekommen Sie einen so schlimmen Anfall, dass ein Arzt mit Medikamenten eingreifen muss.«
    »Das war eine Ausnahme. Hätte man mich in Frieden mein Bier trinken lassen, wäre das nicht passiert.«
    »Das bezweifle ich. Alkohol auf nüchternen Magen ist einer der Hauptauslöser - genauso wie intensive körperliche Betätigung ohne Flüssigkeitszufuhr... andauernde seelische Belastung durch Schuldgefühle… von Alpträumen gestörter Schlaf... die Weigerung, Medikamente einzunehmen. Soll ich weitermachen?«
    »Nein.« Er sah schweigend zu, während sie die Brote für ihn machte. »Was mir gepredigt wurde, reicht mir fürs ganze Leben«, sagte er plötzlich gereizt. »Jeder, der mir über den Weg läuft, glaubt, er muss mir sagen, wo’s langgeht - sogar der Taxifahrer.«
    Susan lachte. »Und was haben Sie von mir erwartet? Eine tröstende Umarmung ? Sie wären zur Salzsäule erstarrt, wenn ich auch nur den Versuch gemacht hätte.« Sie wedelte mit dem Buttermesser. »Sie wussten genau, was Sie erwartet - Sie haben Robert doch erzählt, wie herrisch und bevormundend ich bin. Sie wären nicht hier, wenn Sie nicht eine Moralpredigt gewollt hätten.«

    Acland ließ seine Fingerknöchel knacken. »Nur zu«, sagte er wider Willen amüsiert. »Ich bin bereit. Her mit dem Anpfiff.«
    »Nn-nn.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin nur der Mittelsmann. Sie brauchen ärztliche Hilfe, Charles. Wenn Sie gegessen haben, rufe ich ein Taxi und fahre mit Ihnen zum Arzt.«
    Er war sofort misstrauisch. »Ich würde lieber bei Ihnen bleiben.«
    »Es ist Freitagabend und August, Charles. Alle meine Betten sind fürs Wochenende belegt.«
    »Zu welchem Arzt?«
    »Wie viele kennen Sie in London?«

9
    »Und wenn ich nun nicht zu Ihnen gekommen wäre?«, fragte Acland Susan im Taxi. »Was hätten Sie dann getan?«
    »Wir hätten gar nichts tun können. Keiner von uns wusste, wo Sie wohnen. Jackson meinte, Sie würden sich vielleicht mit Robert in Verbindung setzen, wenn Sie merkten, dass sie seine Visitenkarte in ein anderes Fach gesteckt hatte, aber Robert war weniger optimistisch. Er meinte, für Sie käme das einem Gesichtsverlust gleich.«
    »Hat einer von den beiden meine Eltern angerufen?«
    Susan antwortete mit einem Schulterzucken. »Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nur, dass Jackson gestern Abend gegen elf mit Robert gesprochen hat. Er hat mich dann heute Morgen angerufen und mir ihre Nummer gegeben. Aber als ich mit ihr telefonierte, waren Sie schon weg.« Er zog sich in seine Ecke des Rücksitzes zurück. »Wir haben nicht über Sie getratscht, Charles. Jackson hat mir erzählt, was passiert war, und bat mich, ihr Angebot zu wiederholen, falls ich Sie sähe. Das war alles.«
    »Sie haben aber erzählt, sie sagte, dass ich einen Tritt in den Hintern brauche.«
    »Ich habe nicht gesagt, dass sie keinen Humor hat. Wäre es Ihnen lieber, wenn sie abgehobener dahergeredet und gesagt hätte: ›Charles muss refokussieren und Motivationsfertigkeiten erlernen‹? Meines Erachtens steht sie mitten im Leben - sie ist geradeheraus
und mag betuliches Herumgeschwafel so wenig wie Sie. Oder haben Robert und ich Sie da falsch eingeschätzt?«
    »Nein.«
    »Wo ist dann das Problem?«
    »Sie treffen für mich die Entscheidungen. Jackson ist doch nur bereit, mich wiederaufzunehmen, weil sie an meinem Zimmer verdient. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich Lust habe, da mitzumachen.«
    »Dann sagen Sie dem Fahrer, er soll anhalten, und steigen Sie aus«, meinte Susan sachlich. »Sie sind ein freier Mensch. Gehen Sie zurück in Ihre Wohnung.«
    Er ignorierte die Aufforderung und drückte sich noch tiefer in den Sitz. »Ich wollte nichts weiter als ein Dach über dem Kopf, für heute Abend wenigstens.«
    »Sie

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