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Der Schatten des Chamaeleons

Titel: Der Schatten des Chamaeleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters Mechtild Sandberg-Ciletti
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wollten Hilfe«, widersprach sie freundlich. »Sie haben gestern einen Mann niedergeschlagen, und nach dem, was Sie selbst mir berichtet haben, waren Sie heute Morgen nahe daran, so etwas wieder zu tun - ganz zu schweigen von der Nachbarin, die Sie provoziert hat. Sie sind über sich selbst erschrocken, und gleich mehrmals. Deswegen sind Sie zu mir gekommen.«
    »Warum bringen Sie mich dann zu Jackson? Wenn ich von ihr Hilfe wollte, wäre ich direkt ins Bell gefahren.«
    »Wirklich? Den Eindruck haben Sie auf sie aber nicht gemacht. Sie meinte, ohne mich würden keine zehn Pferde Sie dazu bringen, ins Bell zurückzukommen.« Susan lächelte über sein trotziges Gesicht. »Ich tue das, was Sie sich von mir wünschen, Charles. Wenn es nicht so wäre...«, sie wies mit einer Kopfbewegung zum Fahrer, »... würden Sie ihm sagen, dass er anhalten soll.«
    Acland starrte zum Fenster hinaus. »Vielleicht tu ich das, wenn Sie es noch mal sagen.«
    »Aus Trotz gegen mich? Oder gegen Sie selbst?«
    Mit einem Seufzer wandte er sich ihr wieder zu. »Haben Sie Jackson mal kennengelernt?«

    »Nein.«
    »Na ja, sie ist einem nicht ganz geheuer.« Er breitete die Arme aus. »So ein Umfang, größer als eins achtzig, und sieht aus wie Arnold Schwarzenegger. Sie lässt ihre Freundin die ganze Arbeit machen, frisst wie ein Scheunendrescher und hockt auf einem Berg Geld - Geld, das sie ihren Gästen abnimmt, nachdem sie sie kräftig untergebuttert hat. Weshalb sollte ich mich also lieber an Jackson wenden als an Sie?«
    Susan tat so, als dächte sie darüber nach. Sie hatte Robert Willis am Morgen etwas Ähnliches gefragt. »Warum bist du so scharf darauf, dass Charles sich in die Hände dieser Dr. Jackson begibt? Sollte ich nicht versuchen, ihn in eines meiner Programme aufzunehmen - oder, noch besser, ihn zur Rückkehr nach Birmingham zu bewegen, wo du mit ihm arbeiten könntest? Was weißt du über die Frau?«
    »Henry Watson kennt sie aus seiner Zeit am Middlesex. Sie war damals als Allgemeinärztin in einem der ärmeren Viertel im East End tätig und lieferte ihm wichtiges Datenmaterial zum Thema ›Depressionen bei Jugendlichen‹, das er im Rahmen seiner Forschungen auswertete. Er war schwer beeindruckt von ihr. Sie arbeitete eine Art Frühwarnsystem für gefährdete Kinder aus und brachte die örtlichen Schulen dazu, es auch einzusetzen. Das brachte merkliche Besserung.«
    »Aber Charles hat doch überhaupt kein Vertrauen zu Frauen. Weiß Dr. Jackson das?«
    »Sie scheint mehr über ihn zu wissen als wir, Susan. Er redete anscheinend fast eine halbe Stunde lang ununterbrochen, auch wenn er sich, wie sie meint, kaum daran erinnern wird.« Er machte eine Pause. »Ich habe oft gedacht, dass er auf eine Frau vielleicht besser ansprechen würde... Das ist einer der Gründe, weshalb ich dich bat, ihn bei dir unterzubringen.«
    »Aber bei mir hat es nicht geklappt«, erinnerte ihn Susan. »Mir gegenüber war er hochgradig misstrauisch.«
    »Ich weiß.« Wieder blieb es einen Moment still. »Henry nennt
Dr. Jackson einfach ›Jackson‹. Er sagt, sie habe keinen Vornamen - und wenn doch, verleugne sie ihn. Und sie sehe aus, als hätte sie Mike Tyson in seiner besten Zeit bezwingen können. Außerdem hält sie nichts davon, die Leute mit Samthandschuhen anzufassen. Sie nennt die Dinge beim Namen und nimmt keine übertriebene Rücksicht auf persönliche Empfindlichkeiten. Das kommt an - besonders bei halbwüchsigen Jungen. Henry hält große Stücke auf sie.«
    »Aber Charles ist kein Halbwüchsiger, Bob.«
    »Er zeigt aber alle Symptome - Verschlossenheit, Verweigerung, Misstrauen. Und er reagiert äußerst heftig, wenn er gereizt wird.«
    »Umso mehr Grund, ihn zu therapieren. Stell dir vor, er geht auf Dr. Jackson los.«
    Willis zögerte. »Ich habe sie so eingehend wie möglich von allem in Kenntnis gesetzt. Viel mehr kann ich nicht tun, denn er ist ja nicht mehr mein Patient. So wenig wie deiner übrigens. Wir beide können höchstens Einfluss nehmen, wenn er sich bei uns meldet - und ich würde ihm eigentlich raten, Jacksons Angebot anzunehmen.«
    »Was ist, wenn ich dagegen bin?«
    »Warte doch erst mal, bis du mit ihr gesprochen hast.« Susan meinte, ihn sehen zu können, wie er seine Brille abnahm, um das unvermeidliche Putzritual zu beginnen. »Sie behauptet, Charles sei so dünn, dass er gegen sie überhaupt keine Chance hätte, aber sie ist ohnehin überzeugt, dass er nur dann wiederkommt, wenn er bereit ist, sich ihren

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