Der Schatten des Chamaeleons
kommt«, bemerkte er ein wenig bitter, als er seinen Seesack über die Schulter schwang.
»Vielleicht ist es ein Zufall, der einen Sinn hat. Ein oder zwei solcher Zufälle scheinen Sie ja in den letzten vierundzwanzig Stunden schon erlebt zu haben.«
»Zum Beispiel?«, fragte er, als sie den Bürgersteig hinuntergingen.
»Na ja, Sie haben Ihren Migräneanfall ausgerechnet in einem Pub bekommen, das einer Ärztin gehört... Sie stehen am selben Morgen, an dem man Ihnen eine Unterkunft angeboten hat, plötzlich ohne Dach über dem Kopf da... Sie kreuzen bei mir auf, nachdem ich gerade mit Jackson telefoniert hatte.«
»In den ersten beiden Fällen kann man vielleicht von Zufall sprechen, aber im letzten nicht. Sie sind in London der einzige Mensch, den ich gut genug kenne, um ihn um Hilfe zu bitten - und Sie sind mit Dr. Willis befreundet. Ich dachte mir schon, dass er Ihnen Jacksons Telefonnummer gibt.«
»Haben Sie einmal von Jungs Theorie der Synchronizität gehört?«, fragte sie und trat vom Bürgersteig auf die Fahrbahn, um entgegenkommenden Passanten auszuweichen.
»Nein.« Er kam ihr nach und ging mit ihr an der Autoschlange entlang.
»Darin wird das Konzept der ›sinnhaften‹ Zufälle eingeführt. Sie kennen das doch sicher, dass man über irgendein unbekanntes Wort stolpert, und ein paar Stunden später stößt man wieder darauf. Warum ist es einem nie vorher aufgefallen, wenn man ihm jetzt innerhalb weniger Stunden gleich zweimal begegnet? Und warum passiert einem dasselbe eine Woche später von Neuem?«
»Weil man es überfliegt, bis man entdeckt, was es bedeutet. Wenn man es einmal verstanden hat, wird es Teil des eigenen Vokabulars.«
»Das ist die logische Erklärung. Der Synchronizität wohnt ein mystisches Element inne, demzufolge Menschen, Orte und Dinge sich zur Seele eines Menschen hingezogen fühlen und dadurch Sinn bekommen.«
Acland war augenblicklich misstrauisch. »Ich fühle mich nicht zu Jackson hingezogen.«
Die Menge der Schaulustigen rund um die Unfallstelle wurde dichter. Susan ging langsamer, um in ihrer Tasche nach Zigaretten zu suchen. »Bewusst vielleicht nicht, aber unterbewusst fühlen Sie sich ungeheuer zu ihr hingezogen.« Sie öffnete die Packung und nahm sich eine Zigarette. »Ich kann mich täuschen«, sagte sie und knipste dabei ihr Feuerzeug an, »aber ich würde sagen, sie hat sich an einem einzigen Abend größeren Respekt bei Ihnen erworben, als Sie seit Ihrer Verwundung irgendjemandem sonst entgegengebracht haben. Sie mögen sie vielleicht nicht, Charles - Sie finden sie vielleicht hässlich und grotesk -, aber Sie bewundern sie. Sie hatte den Mumm, bei einer Schlägerei einzugreifen. Es gibt nicht viele Frauen, die diesen Mut haben.«
»Und wenn es so ist? Was hat das mit ›Synchronizität‹ zu tun?«
Sie kamen nicht mehr vorwärts und blieben stehen. »Das hängt davon ab, wie Sie sinnhaften Zufall interpretieren. Sie haben mir eine absolut logische Erklärung dafür gegeben, warum es vorkommen kann, dass einem ein bisher unbekanntes Wort plötzlich gehäuft begegnet. Eine kausale Erklärung, die besagt, dass der Mensch einen gewissen Einfluss darauf hat, wie die Dinge sich entwickeln. Die Synchronizität argumentiert andersherum - von der Wirkung zur Ursache - und sagt, wenn jemand in einem Zufall Sinn sucht, so wird er ihn wahrscheinlich finden.«
Acland blickte über die Köpfe der Menschen hinweg zu den blauen Blinklichtern, um zu sehen, was passiert war. »Was für ein Quatsch. Wollen Sie damit etwa sagen, dass Jackson und ich verwandte Seelen sind?«
»Nein, ich will damit nur sagen, dass der Krach mit Ihrer Nachbarin gerade jetzt vielleicht bedeutet, dass Sie Jacksons Angebot annehmen sollten.«
»Wollten Sie mir deshalb kein Zimmer geben - weil Sie an solchen Kram glauben?«
»Nicht unbedingt. Soll ich Ihnen eine etwas logischere Erklärung dafür geben, warum wir hier sind?«
»Bitte.«
»Bewusst oder unbewusst haben Sie mit Ihrer Nachbarin einen Streit angezettelt, um eine Entschuldigung zu haben, Ihre Wohnung aufzugeben, und kamen dann unter dem Vorwand, für eine Nacht irgendwo unterkommen zu müssen, zu mir, weil Sie wussten, ich würde Sie zu Jackson schicken.«
»Da brauche ich doch keine Hilfe. Ich weiß, wo sie wohnt.«
»Aber auf diesem Umweg droht Ihnen kein Gesichtsverlust. Indem Sie mit mir kommen, geben Sie der Sache einen professionellen Anstrich.«
Acland sah zu ihr hinunter. Sein Mundwinkel krümmte sich ein wenig
Weitere Kostenlose Bücher