Der Schatten des Chamaeleons
Problem, als Ehemann Nummer zwei auf der Bildfläche erschien. Jetzt macht die arme Mutter sich Vorwürfe, dass sie noch einmal geheiratet hat. Und Ben macht seither nichts als Ärger.«
Jackson verzog mit einem bitteren Lächeln das Gesicht. »Wie oft habe ich das schon gehört? Es ist die Geschichte aller Ausreißer.«
»Hm. Mrs. Sykes würde von mir gern hören, der Diabetes habe Ben aus der Bahn geworfen.«
»Und nicht was? Und nicht der Stiefvater?«
Monaghan zuckte mit den Schultern. »Suchen Sie es sich aus. Sie gibt allem und jedem die Schuld - Überkompensation nach dem Tod des Vaters, der Namensänderung nach der Heirat, der Tatsache, dass sie danach nicht mehr so viel Zeit für ihren Sohn hatte. Das Einzige, wovon sie partout nichts hören will, ist die Möglichkeit, dass Ben so ist, wie er ist. Sie erklärt mir immer wieder, im Grunde seines Herzens sei er ein guter Junge.«
»Und ist er das?«
»Ich habe bis jetzt nichts davon gemerkt. Er ist ein frecher kleiner Flegel. Wollen Sie wirklich mit ihm sprechen?«
Jackson nickte. »Am liebsten allein. Gibt’s eine Chance, die Mutter loszueisen?«
»Und meine Belohnung?«
»Eine Flasche Scotch, wenn ich eine halbe Stunde ungestört bei geschlossener Tür bekomme. Ich möchte wissen, was er der Polizei erzählt hat.«
»Frecher kleiner Flegel« passte, dachte Jackson, nachdem die Tür sich geschlossen hatte und sie mit Ben allein war. Er ignorierte
sie ostentativ, bis sie den Fernsehapparat auf die Seite schwenkte und ausschaltete und ihm die Kopfhörer aus den Ohren zog.
»Guten Morgen, Ben«, sagte sie freundlich. »Ich bin Dr. Jackson. Wir sind uns schon einmal begegnet, aber du kannst dich wahrscheinlich nicht an mich erinnern. Ich bin die Ärztin, die dich versorgt hat, bevor der Krankenwagen kam.«
Das Gesicht wurde noch mürrischer, während er sie musterte. »Sind Sie’ne Lesbe?«
»Als ich das letzte Mal in den Spiegel geschaut habe, war ich noch eine, ja.« Sie hinderte ihn daran, sich die Kopfhörer wieder zu holen, indem sie sie ausstöpselte und hinter sich auf den Boden warf. »Scheißleben, was?«
»Das hätten Sie besser nicht getan.«
»Warum nicht? Sie gehören nicht dir, und du bezahlst auch nicht für sie. Deine Glotzsucht wird entweder von mir, sprich, dem Steuerzahler, finanziert oder von deiner bedauernswerten Mutter.« Sie nahm sich den Stuhl, den Mrs. Sykes frei gemacht hatte.
»Hey, wenn Sie mich anfassen, kann ich Sie wegen Körperverletzung drankriegen.«
»Dann zeig mich doch am besten gleich bei Superintendent Jones an, wenn er dich das nächste Mal nach dem Inhalt deines Rucksacks befragt. Da hattest du ja ganz schön was gehortet. Woher kam das denn alles?«
»Das geht Sie einen Scheißdreck an. Ich beantworte keine Fragen ohne meine Mutter und den Anwalt.« Er schob seine Hände zusammen und richtete die beiden Zeigefinger auf sie. »Ich hab Rechte.«
»Was für Rechte?«
»Ich brauche nicht mit Ihnen zu reden.«
»Soll mir recht sein. Dann rede eben ich für uns beide.« Sie schlug die Beine übereinander. »Du leidest an einer Krankheit, die anfangs ständig überwacht werden muss. Je schneller du lernst, bei der Behandlung aktiv mitzuwirken, desto kürzer wird
die Zeit sein, in der du auf andere angewiesen bist... aber nur die Jugendlichen, die wirklich was auf dem Kasten haben und zur Mitarbeit bereit sind, schaffen es, ohne die Hilfe eines Elternteils mit ihrer Krankheit zurechtzukommen. Die Chancen -«
»Das weiß ich alles«, unterbrach Ben ungeduldig, »und ich hab die Nase gestrichen voll davon. Ich hab schließlich nicht drum gebeten, mit diesem Scheißdiabetes auf die Welt zu kommen.«
Jackson ging nicht darauf ein. »- dass ein undankbarer kleiner Schisser, der auf seine Rechte pocht, aber auf die anderer Leute pfeift, wenn er nur nach Herzenslust stehlen und seiner Mutter das Leben zur Hölle machen -«
»Sie wissen überhaupt nichts«, schrie der Junge sie an und stach mit den Fingern nach ihren Augen. »Wer kümmert sich denn drum, was sie mit mir gemacht hat?«
»Ah, ja, das ist natürlich etwas ganz anderes«, sagte Jackson milde. »Kinder dürfen sich benehmen, wie sie wollen, aber Mütter sollen gefälligst den Mund halten, wenn sie vom Leben schlechte Karten bekommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass deine Mutter sehr erfreut darüber ist, einen schwachsinnigen Sohn zu haben. Wahrscheinlich sitzt sie jetzt gerade in der Cafeteria und wünscht, sie hätte deinem Vater gesagt,
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