Der Schatten des Chamaeleons
er hätte alles eventuell Belastende in den nächstbesten Gully zwischen dem Parkplatz und dem Eingang zur Notaufnahme werfen können.«
»Er konnte nicht wissen, dass Sie die PIN umgehen würden.«
Jackson versuchte stirnrunzelnd, seinen Überlegungen zu folgen. »Welchen Unterschied macht das? Er wusste, dass wir herausbekommen wollten, wer der Junge ist, da sprach doch alles dafür, dass Atkins’ Handy früher oder später genau unter die Lupe genommen werden würde. Warum hätte er so ein riskantes Spiel wagen sollen, wenn er das belastende Material insgesamt hätte verschwinden lassen können?«
»Kommt darauf an, worum es bei dem Spiel ging. Angenommen, der Junge wäre gestorben? Da sähe alles doch plötzlich ganz anders aus. Ein toter kleiner Stricher, der sich nur notgedrungen verkaufte, wäre ein überzeugender Kandidat für die Rolle des Schwulenmörders gewesen.« Jackson wollte augenblicklich verärgert dazwischenfahren, doch Jones hob abwehrend die Hände und sagte: »Machen Sie sich keine zu naiven Vorstellungen von den Motiven der Leute, Doktor. Sie brauchen sich nur mal einen Tag lang in einen Gerichtssaal zu setzen, da werden Sie weit unwahrscheinlichere Geschichten zu hören bekommen.«
»Es war nie die Rede davon, dass Ben sterben könnte. Er wurde schon im Krankenwagen zur Flüssigkeitszufuhr an den Tropf gehängt, und das endokrinologische Team stand Gewehr bei Fuß, um sofort bei seiner Einlieferung mit der Behandlung zu beginnen. Sowohl der Lieutenant als auch Chalky wussten von Anfang an, dass er beste Überlebenschancen hatte.«
»Sparen Sie sich Ihre Worte«, sagte Acland. Er stand vom Boden auf und lehnte sich mit einer Schulter an die Wand. »Ich habe Ihnen gesagt, dass es so kommen würde.«
»Wenigstens trete ich für Sie ein«, versetzte Jackson kalt. »Aber Sie kämpfen ja nicht einmal. Sie kennen nur zwei Extreme. Entweder Sie rasten aus, oder Sie spielen den leidenden Märtyrer - und der leidende Märtyrer geht mir allmählich auf die Nerven.« Sie sah ihn barsch an. »Die schweigende Verachtung haben wir gestern nach Ihrer Attacke auf Raschid Mansur schon durchexerziert, und sie hat mich auch da nicht sonderlich beeindruckt. Schuldgefühle sind keine Ware, Lieutenant. Man kann nicht mit ihnen handeln wie mit Ablassbriefchen.«
Sein Blick war feindselig. »Behandeln Sie mich nicht wie einen Schwachsinnigen.«
»Dann hören Sie auf, sich so zu benehmen, und leben Sie mit den Sünden, die Sie begangen haben. Indem Sie die anderer auf sich nehmen, können Sie die Uhr auch nicht zurückdrehen - so wenig wie Ihnen das mit der Weigerung, Schmerzmittel zu nehmen, gelungen ist.«
Metropolitan Police
Interne Aktennotiz
Sir,
wir sind weiterhin überzeugt, dass der tätliche Angriff auf Walter Tutting mit der Mordserie in Zusammenhang steht. Letzter Stand wie folgt:
• Lt. Charles Acland. Anschrift: The Bell , Gainsborough Road. Derzeit auf Kaution frei, wird weiterhin als wichtiger Zeuge behandelt. Kontakt zu Walter Tutting und Ben Russell. Hatte kurze Zeit Kevin Atkins’ Handy in Besitz, bevor er es uns übergab.
• Ben Russell. Derzeit Patient im St.-Thomas-Krankenhaus. Hatte vermutlich Atkins’ Handy einige Wochen lang in seinem Besitz (s. unten).
• » Chalky«. Name unbekannt. Derzeitiger Aufenthaltsort unbekannt. Nach dem, was er Dr. Jackson und Lt. Acland erzählte, hatte er in den letzten vier Wochen immer wieder einmal Kontakt mit Ben Russell. Es ist möglich, dass er einen Matchbeutel aus Segeltuch in Besitz hat, der Russell gehört. Russell bestreitet Letzteres (s.unten). (Da »Chalky« ein geläufiger Spitzname für Leute mit dem Nachnamen »White« ist, wurden Militärakten nach einem Corporal White durchsucht, der im Falklandkrieg an der Front war. Es wurden zwei Männer dieses Namens gefunden, aber keiner hat etwas mit unseren Ermittlungen zu tun.)
Walter Tutting
Trotz Unstimmigkeiten hinsichtlich des Tatorts sind wir weiterhin der Meinung, dass der tätliche Angriff auf Mr. Tutting mit den früheren Morden in Zusammenhang steht. Diese Auffassung wird, wenn auch mit Zurückhaltung, von John Webb gestützt, dem Leiter der Spurensicherung. Seinen Bericht übersende ich getrennt. Bis jetzt konnten wir noch nicht mit Mr. Tutting sprechen, der immer noch bewusstlos im St.-Thomas-Krankenhaus liegt. Seine Ärzte halten es jedoch für sehr wahrscheinlich, dass er in den nächsten Tagen das Bewusstsein wiedererlangen wird.
Kevin Atkins - Handy
Das ist
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