Der Schatten des Highlanders
sehen. Sie blickte auf einen Punkt unterhalb seines Schlüsselbeins, das etwa auf gleicher Höhe war wie ihre Nase. Sie spürte, dass er ihr ein paar Haarsträhnen hinter ein Ohr strich.
»Sunshine ...«
»Ich habe keine Lust, die andere Frau zu sein, Cameron.«
Er seufzte tief auf. »Ich weiß.« Er schwieg eine Weile. Er steckte ihr einfach die Haare hinter die Ohren, Strähne für Strähne, als wollte er jede einzelne Bewegung auskosten. »Schlafen Sie gut, liebe Sunny.«
Sie nickte, konnte aber nichts erwidern, weil sie sonst gleich wieder in Tränen ausgebrochen wäre.
Er ließ den Arm sinken, hob seine Sachen auf, dann wandte er sich um und ging zur Tür hinaus. Er zog sie leise hinter sich zu. Sunny legte den Riegel vor, drehte sich um und ließ sich zu Boden gleiten. Sie sah tränenlos ins Leere. In ihr Haus, in Moraigs Haus, das nun so leer und kalt war, dass sie es kaum aushielt.
Sie legte sich die Arme um den Körper, um sich zu wärmen. Es half nicht. Sie konnte einfach nicht verstehen, was Cameron von ihr wollte, warum er sie ständig aufsuchte, was sie tun sollte, wenn sie ihn wieder sehen müsste. Er war nicht frei und sie wollte weder seine Zuflucht noch eine bloße Liebelei sein. Wozu sollte das gut sein?
Vielleicht würde er nach London zurückkehren, und sie könnte sich wieder sammeln. Das war wohl die einzige Hoffnung für ihr Herz.
Sie schloss ihre Schlafzimmertüre ab, holte Camerons Plaids aus ihrer Kommode und wickelte sich in sie ein, dann ging sie zu Bett.
Sie war sogar zu erschöpft, um zu weinen.
20
Lange vor der Morgendämmerung überquerte Cameron den Hof zu seinen Stallungen. Er hatte von Schlachtengetümmel und Blutvergießen und allerlei Aktivitäten geträumt, bei denen man ein Schwert führte und die im aktuellen Jahrhundert nicht mehr üblich waren, die einem aber dennoch den ruhigen Nachtschlaf rauben konnten.
Er schwankte innerlich, ob er Sunshine Phillips dafür verwünschen oder sich lieber bei ihr bedanken sollte.
Nachdem er von seinem Tag auf Ian MacLeods Turnierplatz nach Hause gekommen war, hatte er zum ersten Mal seit acht Jahren in seinen abgeschlossenen Wandschrank geschaut. Und mit ziemlicher Verblüffung hatte er dort nichts weiter vorgefunden als ein schottisches Breitschwert, drei Dolche, ein safranfarbenes Hemd und ein handgewebtes Plaid - mehr hatte er aus seinen 28 Jahren im Schottland des 14. Jahrhunderts nicht herübergerettet.
Was wohl all diese MacLeods in ihren Schränken unter Verschluss hielten?
Unvorstellbar, dass ihre Ehefrauen nicht genau Bescheid wussten, wen sie da zum Mann hatten. Wie hatte es wohl Jamie, Patrick und Ian in die Zukunft verschlagen? Aber auch darauf gab es wohl eine plausible Antwort. Vielleicht würde es ihm weiterhelfen, wenn er herausfände, wie es bei ihnen vor sich gegangen war - er wusste nichts darüber, wie es bei ihm geschehen war. Doch das Letzte, was Sunshine zu ihm gesagt hatte, war ihm glasklar im Gedächtnis.
Ich habe keine Lust, die andere Frau zu sein.
Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und fluchte. Auch er wollte nicht, dass sie das war, doch er war sich noch
nicht ganz schlüssig, was er dagegen tun konnte. Er war im modernen London ebenso ein Gefangener seiner Verpflichtungen, wie er es im mittelalterlichen Schottland gewesen war. Und auch seine wilden Verwünschungen änderten nichts an seiner Situation. Warum hatte er sie nicht früher kennengelernt? Es hätte ja nicht einmal viel früher sein müssen. Vielleicht ein paar Monate.
Der bloße Gedanke daran, dass er sie in diesen Wahnsinn seiner Verstrickung mit Nathan und Penelope Ainsworth hineingezogen hatte, jagte ihm eisige Schauer den Rücken hinunter.
Er schob diese Gedanken beiseite. Er war jetzt in Schottland, er war für diesen einen Tag in Sicherheit, und er konnte sich vielleicht noch ein paar Stunden freischaufeln, um das zu tun, was sein Herz ihm eingab. Im Stall sattelte er eilig zwei Pferde, dann führte er sie hinaus in den frischen Frühlingsnebel. Er schwang sich in den Sattel und galoppierte nach Süden. Er würde mit Sunshine Phillips ausreiten und sehen, was der Tag für sie beide bringen mochte.
Aus ihrem Küchenfenster drang schon Licht, als er beim Cottage eintraf. Er stieg ab, band die beiden Rösser hinter dem Haus fest und ging leise zur Eingangstür. Innerlich wappnete er sich bereits gegen die unangenehme Empfindung, die ihn beim Überqueren von Sunnys Türschwelle stets heimsuchte.
Doch er war nicht darauf
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