Der Schatten des Highlanders
blieb, und sie schloss die Augen, als er sich an ihrem Haar zu schaffen machte, es über ihre Schultern zurückzog und so hindrapierte, dass es ihr über den Rücken fiel. In diesem Augenblick merkte sie, dass sie einen schweren taktischen Fehler begangen hatte. Sie hätte ihn bei ihrem Koffer stehen lassen und zu ihrem Hotel flitzen sollen, sobald sie ihn erblickt hatte. Es war ihr jetzt unverständlich, warum sie gedacht hatte, sie könnte es mit ihm geschlagene 24 Stunden aushalten — ganz gleich, was für neugierige Fragen er zu beantworten versprochen hatte.
Sie hätte sich am liebsten zu ihm umgewandt, sich in seine Arme geworfen und ihn gebeten, mit ihr in Moraigs Cottage zu wohnen.
Aber eigentlich müsste sie sich ihm entwinden und zur Tür hinauslaufen.
Leider konnte sie sich zu keinem von beidem durchringen.
»Ich hatte trotz allem Gelegenheit zu einem kurzen Gespräch mit Patrick«, sagte er langsam. »Eigentlich war es kein richtiges Gespräch. Er hat mich nur verflucht, und dann gab er mir diesen Brief.«
Sunny riss sich aus ihren unnützen Gedankenspielen. Dieses Gespräch interessierte sie. Es würde sie von ihrer misslichen Lage ablenken. »Einen Brief?«, echote sie geistesabwesend. »Ich habe Ihnen keinen Brief hinterlassen.«
»Er war nicht von Ihnen«, sagte er. »Sondern von Moraig an Jamie. Patrick dachte, ich könnte ihn vielleicht ... erhellend finden.«
Seine Finger, die ihr durchs Haar fuhren, lenkten sie enorm ab. Sie spürte, wie die innere Anspannung nachließ, was vermutlich nichts Gutes verhieß, und legte sich die Handballen auf die Augen, damit sie aufhörten, so zu brennen. »Was hat Moraig Jamie geschrieben? Hat sie ihm mitgeteilt, wie man einen kleinen Trank zubereitet, um Zaubersprüche von zukünftigen Hexen abzuwehren?«
»Nein«, sagte er ruhig. »Sie hat ihm geschrieben, was ihr an einem besonders stürmischen Frühlingsmorgen vor acht Jahren widerfahren ist.«
Sunny hörte seine Worte, aber es dauerte einen Augenblick, bevor sie ihre Bedeutung verstand. Aber sobald das der Fall war, setzte ihr Herz einen Schlag aus. Buchstäblich. Erst nach einer Schrecksekunde konnte sie wieder atmen.
»Wirklich?«, sagte sie mit tonloser Stimme.
»Ja«, sagte er. »Anscheinend stolperte ein halbtoter Highlander in ihr Haus und stürzte zu Boden. Sein Schädel war fast zertrümmert, und ein Dolch steckte in seinem Rücken. Er war noch lange genug bei Bewusstsein, um zu sagen, wer er war, und um zu fragen, was ihm anscheinend am wichtigsten war, ob eine gewisse junge Dame, die mit ihm unterwegs gewesen war, in Sicherheit sei.
Sunny konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Cameron behielt seine Hände auf ihren Schultern, und das war das Einzige, das sie noch aufrecht hielt.
»Ich glaube, Sie können erraten, wer der Mann war.«
Sie nickte.
»Möchten Sie den Namen der jungen Dame hören?«
Jetzt konnte sie sich nicht mehr rühren, nicht mehr atmen, nicht mehr sprechen. Sie stand nur noch bebend da.
»Ihr Name war Sunshine.«
Ein Schluchzer entrang sich ihr, noch bevor sie ihn unterdrücken konnte. Er drehte sie zu sich um und zog sie an sich, legte seine Arme so dicht um sie, dass sie kaum noch Luft bekam. Es machte ihr nichts aus. Sie schlang ebenfalls ihre Arme um ihn und hielt ihn fest. Sie wusste, dass sie Geräusche von sich gab, die ihn hätten erschrecken können — sie erschreckten sie selbst -, aber die schienen ihm nichts auszumachen. Sie war sich nicht ganz sicher, ob er nicht ebenfalls den einen oder anderen beunruhigenden Laut von sich gegeben hatte.
Bei ihr brachen nun alle Dämme und sie weinte, bis ihr Atem nur noch keuchend ging und sie dachte, sie müsse gleich ohnmächtig werden.
Eigentlich hätte sie das alles nicht überraschen sollen. Schließlich hatte sie Moraig oftmals dabei ertappt, wie sie sie mit einem ernsten Lächeln betrachtete, als wisse sie etwas, das Sunny nicht wusste. Sunny hatte immer gedacht, es sei nur der Blick einer weisen, erdverbundenen alten Frau, mit dem sie jeden betrachtete. Jetzt wusste sie es besser.
Du wirst mein Haus brauchen, wenn ich einmal nicht mehr lebe.
Sunny hatte immer angenommen, Moraig habe das gesagt, weil sie dachte, sie bräuchte einen guten Platz, um ihre Kräuter zu trocknen. Ihr war nicht ein Mal in den Sinn gekommen, dass es dafür noch einen weit bedeutenderen Grund geben könnte.
Und jetzt wusste Cameron Bescheid. Allein deshalb weinte sie noch ein Weilchen länger. Sie musste die Last seiner
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