Der Schatten des Highlanders
vorzustellen, wie es wäre, ihre Schwester begraben zu müssen. Kein Wunder, dass diese MacLeod-Männer so hart waren wie Feuerstein, wenn sie in so einer rauen Wirklichkeit aufwuchsen.
Sobald ihr Kopf klar genug war, dass sie aufstehen konnte, dankte sie Brianna noch einmal für ihre Hilfe, dann schlurfte sie durch die Kammer. Sie machte die Tür hinter sich zu und ging den Korridor entlang. Sie brauchte entsetzlich lange, um die Treppe hinunterzusteigen, aber auch das schaffte sie schließlich.
Am Fuß der Treppe musste sie ziemlich lang ausruhen. Sie blickte zum Großen Saal hinüber, doch dann wünschte sie sich, sie hätte es nicht getan. Die Männer starrten sie an, dann bekreuzigten sie sich ostentativ. Das überraschte sie nicht, aber es erfüllte sie mit Sorge.
Noch einen solchen unfreiwilligen Ausflug zum See könnte sie sicher nicht verkraften. Sie hatte nicht genug Kraft, um zu kämpfen, und wagte nicht zu hoffen, dass Cameron noch einmal kommen und sie retten würde. Je eher sie Cameron Hall und dem Land der Camerons den Rücken kehrte, desto besser für sie.
Sie nahm all ihre Kräfte zusammen, ging zur Eingangstür und bemühte sich, dabei keine Schwäche zu zeigen. Keiner hielt sie auf, keiner rief ihr etwas Unziemliches hinterher, keiner wartete draußen und verschleppte sie mit Gewalt irgendwohin. Sie zog das Tor hinter sich zu, stolperte die Stufen in den Hof hinunter und überquerte ihn so schnell sie konnte. Sie erwartete nicht, Cameron zu sehen, und sie sah ihn auch nicht.
Es war besser so.
Draußen vor dem Tor blieb sie kurz stehen, dann machte sie sich auf. Sie hatte keinen besonders guten Orientierungssinn, aber sie wusste, wo sich sowohl Cameron Hall als auch Moraigs Cottage ungefähr befanden. Sie schleppte sich so rasch wie möglich durch das Dorf, dann wandte sie sich Richtung Süden und Osten. Sie kam nicht schnell voran, aber zumindest konnte sie sich auf den Beinen halten. Es hätte schlimmer sein können.
Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als ihr mitten im Gehen klar wurde, dass sie es an diesem Tag nicht weiter schaffen würde. Sie setzte sich erschöpft und niedergeschlagen auf einen Felsen und fragte sich, wem sie wohl in die Hände fallen würde: Camerons grimmigen Kriegern oder den vielleicht noch grimmigeren MacLeods.
Dort, wo sie jetzt saß, drohte ihr von beiden Seiten Gefahr.
Sie wollte aufstehen, aber sie hatte nicht die Kraft dazu. Sie ließ sich vom Felsen zu Boden gleiten, beugte den Oberkörper und legte sich hin. Der Boden war kalt, aber zumindest war das Gras nicht nass. Nun genoss sie sogar den schottischen Sonnenschein ein wenig. Vielleicht brauchte sie ja nur ein kleines Nickerchen, um genügend Kräfte für eine weitere Etappe zu sammeln.
Vermutlich war sie eingedöst, und sie war sich fast sicher, dass sie geträumt hatte - ausgerechnet von Regen. Nur war es kein feiner schottischer Nieselregen oder ein kurzer Schauer gewesen, sondern ein ausgewachsener Sturm. Noch bevor sie die Augen aufschlagen konnte, um zu sehen, welches Unwetter die Wolken über ihr, schutzlos wie sie war, entfesseln würden, hörte sie das Donnergrollen.
Aber der Himmel war blau.
Sunny erkannte, dass das Donnern von Pferdehufen kam, die über den Boden galoppierten. Sie setzte sich ruckartig auf, konnte sich aber nicht dazu aufraffen, davonzulaufen. Es war sowieso nur ein einsamer Reiter. Vielleicht würde er sich nicht die Mühe machen, sie ins Jenseits zu befördern und einfach vorbeireiten.
Als er näherkam, sah sie, dass es Cameron war. Er brachte sein Pferd ein paar Schritte von ihr entfernt zum Stehen.
»Ihr seid nicht weit gekommen«, bemerkte er.
»Ich bin müde.«
Er streckte ihr schweigend die Hand hinunter, um ihr hinaufzuhelfen. Sie seufzte und rappelte sich taumelnd hoch. Beim Blick auf seinen Fuß im Steigbügel fragte sie sich allerdings, ob sie ihren überhaupt so weit hochheben könnte, um sich hinter ihm aufs Pferd zu schwingen.
Nein, keine Chance. Sie blickte zu ihm auf. »Ich kann nicht.«
Er streckte ihr beide Hände hinunter. »Versucht es.«
Sie ergriff seine Hände und machte einen Versuch, schaffte es aber nicht. Sie konnte sich kaum selbst auf den Beinen halten, und schon gar nicht auf sein Pferd steigen. Er ließ sich mit einem Fluch auf den Boden heruntergleiten, formte aus seinen Händen eine Stufe, dann schob er sie in seinen Sattel hinauf. Er schwang sich mühelos hinter sie auf den Pferderücken.
Das reichte fast schon aus, dass sie sich
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