Der Schatten des Highlanders
uns kommt jede Hilfe zu spät.«
Sie blickte zu ihm auf. »Das können wir nicht tun.«
Er holte tief Luft, nickte, dann ließ er seine Hand über ihren Rücken hinuntergleiten, bevor er sich wieder neben ihr ausstreckte, dabei rückte er aber nicht eine Handbreit zu viel von ihr ab. Es brachte ihn um den Verstand, sie zu berühren, aber vermutlich wäre es noch viel schlimmer, es nicht zu tun. Er suchte nach irgendeiner passenden Bemerkung. »Ich werde Euch all meine Fehler auflisten«, sagte er leichthin. »Dann werdet Ihr froh sein, dass Ihr nicht mit mir vorliebnehmen müsst.«
Sie hob die Hand und berührte ihren Mund. Vermutlich geschah das unbewusst, denn als sie merkte, dass er sie beobachtete, ließ sie die Hand sofort wieder sinken.
»Also gut«, sagte sie und setzte ein Lächeln auf, das kein bisschen überzeugend wirkte. »Dann sollten Sie dafür sorgen, dass es eine möglichst umfassende Liste wird.«
»Es wird mich einige Mühe kosten«, meinte er nüchtern, »aber ich werde es versuchen. Erster Punkt: Ich bin schroff. Und fordernd. Ich habe oft schlechte Laune und bin verdrießlich. Ich habe keine Geduld mit Dummheit und ich fordere treue Gefolgschaft.« Er hielt inne, um zu sehen, ob etwas davon sie abschreckte.
Sie sah ihn nur schweigend an.
Er redete schnell weiter: »Ich gewähre mein Vertrauen nicht leichtfertig. Ich verbringe schrecklich viel Zeit mit Fechtübungen, und ich neige dazu, zuerst zu töten und mich später zu fragen, ob ich vielleicht einen Fehler gemacht habe.« Er hielt inne. »Bekommt Ihr schon Angst?«
Sie schüttelte den Kopf. »Vermutlich sollten Sie noch etwas tiefer gehen.«
Er musste unwillkürlich lächeln. »Ich schätze ein behagliches Feuer, ein warmes Bad und eine willfährige junge Frau in meinem Bett. Schreckt Euch das jetzt ab?«
»Haben Sie viele willfährige junge Frauen in Ihrem Bett?«, fragte sie mit einem leisen Lächeln. »Oder vertreiben Sie alle mit Ihrer schlechten Laune und Verdrießlichkeit?«
»Da gab es schon ein paar«, murmelte er. »Und wie viele willfährige Männer hattet Ihr in Eurer Bettstatt?«
Ihre Wangen glühten auf einmal. »Das werde ich Ihnen ganz bestimmt nicht sagen.«
Er sah zu, wie sie bis hinter beide Ohren errötete, und ihm kam ein verblüffender Gedanke: »Seid Ihr noch Jungfrau?«.
Sie bewegte sich so schnell wie noch keine Frau, die er je gesehen hatte. Doch es nützte ihr nichts, dass ihn in dem Moment, als er versuchte sich aufzurappeln, plötzlich ein so starker Schmerz durchfuhr, dass er auf den Knien verharren musste; er rappelte sich trotzdem auf und rannte ihr hinterher. Er fing sie auf halbem Weg zum Bach ein und drehte sie zu sich um, aber er wagte nicht, sie in seine Arme zu nehmen oder sie erneut zu küssen oder ihr auf sonst irgendeine Art zu zeigen, was er für sie empfand. Dafür befanden sie sich zu nahe am Dorf. Er hielt sie einfach an den Armen fest, um sie davor abzuhalten, noch weiter wegzulaufen.
»Mir ist noch ein weiterer Fehler eingefallen«, sagte er und griff das Erstbeste auf, das ihm in den Sinn kam.
»Welcher?«, fragte sie kläglich.
»Ich bin viel zu neugierig. Man wirft mir vor, dass ich zu viel über andere nachdenke und zu viele Fragen stelle. Mein Vater hielt das für einen sehr unangenehmen Charakterzug. Er hat mir immer wieder gesagt, es hätte besser zu mir gepasst, eine Zofe in einem vornehmen Haushalt zu sein als ein Krieger in seiner Burg.« Er hielt inne. »Er nannte mich von Zeit zu Zeit auch eine Zimperliese.«
Sie musste lächeln. »Das glaube ich nicht.«
»Doch, das stimmt«, erwiderte Cameron aufrichtig. »Ich glaube, er wollte mich damit anfeuern, mich noch mehr anzustrengen und mich im Schwertkampf zu üben, aber wer weiß? Der Mann hatte keinerlei Skrupel.«
»Sie scheinen einige zu haben.«
»Zu meiner immerwährenden Schande.« Er wollte sie in die Arme nehmen, um seinem Herz Ruhe zu schenken, aber er wusste, dass er sie damit in Gefahr bringen würde, und das kühlte seine Leidenschaft sofort ab. Er ließ sie los, strich ihr mit den Händen über die Arme und trat einen Schritt zurück. »Wir sollten Eure Kräuter holen. Ich glaube, der Wind frischt auf.« Er schenkte ihr sein zuvorkommendstes Lächeln. »Kommt Ihr mit?«
Sie holte tief Luft, dann nickte sie. Er wünschte sich, er könnte etwas Charmantes zu ihr sagen, aber Charme war nicht gerade seine Stärke, ganz gleich, was seine Mutter behauptet hatte. Er konnte hin und wieder ein ganz respektables
Weitere Kostenlose Bücher