Der Schatten des Highlanders
Haus vermachen, wenn ich einmal nicht mehr bin, hatte Moraig zu ihr gesagt. Du wirst es brauchen — aus Gründen, die du jetzt noch nicht verstehst.
Sunny lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Es war nicht möglich, dass Moraig Cameron gekannt hatte — nun ja, natürlich war es möglich. Sie hatte ihn offenbar aus dem Krankenhaus herausgeholt. Aber Moraig konnte unmöglich gewusst haben, dass sie Cameron gekannt hatte. Zumindest hatte sie nie etwas darüber verlauten lassen.
Sunny schob alle weiteren derartigen Spekulationen beiseite. Vielleicht hatte der alte Alistair Cameron für Camerons Entlassung Hilfe gebraucht, und Moraig gebeten, mitzukommen. Vielleicht hatte Moraig ihr das Haus vermacht, weil sie sie geliebt hatte.
Vielleicht war es ein schrecklicher Fehler gewesen, nach Schottland zu kommen.
Sie spürte Camerons Arm auf ihren Schultern.
»Erlauben Sie, dass ich Sie heimbringe«, wiederholte er. »Ich hole schon mal meinen Wagen ...«
»Nein«, sagte sie, sprang auf und schwankte heftig. Sie kämpfte um ihr Gleichgewicht, dann streckte sie ihm seinen Mantel entgegen. »Ich bleibe heute Nacht hier.«
»Ach, du willst ...«, begann Madelyn überrascht.
Sunny warf ihr einen vielsagenden Blick zu, und sie verschluckte den Rest dessen, was sie zweifellos noch hatte sagen wollen. Patrick sah sie prüfend an, sagte aber nichts.
»Wie Sie wünschen«, sagte Cameron zögerlich, und zog ebenso zögerlich seinen Mantel an. »Ich gehe jetzt wohl besser. Wenn ich noch länger bleibe, wird es mir nicht gut ergehen.«
Patrick streckte seine Hand aus. »War mir ein Vergnügen, Cameron. Kommen Sie bald einmal wieder.«
»Sehr gerne«, sagte Cameron und schüttelte Patrick die Hand. »Ich bin jetzt erst einmal eine Weile in London, aber vielleicht das nächste Mal, wenn ich zu Hause bin.« Er ergriff Madelyns Hand und verbeugte sich. »Vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft, Mylady.«
Madelyn lächelte nur. »Es war mir eine Freude, Sie kennenzulernen, Lord Robert. Sie müssen unbedingt wiederkommen.«
Sunny schob sich möglichst unauffällig hinter Patrick und hoffte, Cameron würde keine Notwendigkeit sehen, sich auch von ihr zu verabschieden. Sie merkte jedoch ziemlich schnell, dass er sich so hinstellte, dass er sie sehen konnte.
»Gute Nacht, Mistress Sunshine.«
Sie nickte heftig, sagte aber nichts.
Patrick legte Cameron die Hand auf die Schulter und brachte ihn zur Tür. Cameron dankte Patrick nochmals für das Essen und die angenehme Unterhaltung. Sunny drehte sich um und sah ins Feuer, bis sie hörte, wie Patrick die Tür zumachte und den Riegel vorschob.
»Nun«, sagte er gut gelaunt, »das war ja ein interessanter Besuch.«
»Ja, nicht wahr?«, murmelte Sunny. Sie sah Madelyn an. »Danke dafür, dass ich übernachten darf. Ich sehe euch dann morgen früh.«
»Oh, nein«, sagte Patrick, trat zu ihr und versperrte ihr den Weg. »So leicht entkommst du mir nicht, Schwester. Nachdem ich mir die Mühe gemacht habe, höflichen Umgang mit dem Laird eines benachbarten Clans zu pflegen, den ich in einem anderen Leben ohne Zögern umgebracht hätte, habe ich meines Erachtens das Recht auf ein paar Antworten.«
»Ich habe keine Antworten.«
»Ich glaube sehr wohl, dass du die hast«, sagte Patrick leichthin. »Ich bin neugierig, Sunshine, warum Robert
Cameron jahrelang dort oben auf dem Berg lebt und uns erst heute Abend mit seiner zugegebenermaßen charmanten Anwesenheit beehrt.«
»Warum fragst du ihn nicht selbst?«, fragte Sunny ausweichend. Sie ließ den Blick über die Diele schweifen und fragte sich, ob es wohl unhöflich wäre, hinauszulaufen, bevor die beiden irgendetwas unternehmen konnten.
»Das könnte ich durchaus tun.«
Sie hielt den Atem an, als sie merkte, in welche Richtung das ganze lief. »Bitte, Patrick«, sagte sie rasch, »bitte sprich nicht mit ihm darüber.«
»Dann spuck ein paar Antworten aus, Sunshine. Ich finde es nämlich sehr eigenartig, dass du vor fast drei Wochen wie aus dem Nichts wieder aufgetaucht bist und Cameron-Plaids getragen hast.«
»Im Mittelalter hatte noch nicht jeder Highland-Clan sein eigenes Tartan-Muster, das weißt du doch.«
»Stimmt, aber ich habe zu meiner Zeit genügend Cameron-Plaids gesehen und bin durchaus vertraut mit den Farben, die sie bevorzugt trugen.«
»Spielst du heute Abend den Anwalt?«, fragte Sunny und versuchte, spöttisch zu klingen.
Patrick sah sie nur forschend an.
Madelyn tauschte mit ihrem Mann einen
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