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Der Schatten des Horus

Der Schatten des Horus

Titel: Der Schatten des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo P. Lassak
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packte ihn am Kragen. »Nutze die Zeit, Junge, dir bleibt nicht mehr viel!«

14. Kapitel
    Es kam, wie es kommen musste.
    Die Kunde sprach sich herum. Wenn der Tod in ihre Hütten gekommen war, ließen sich die Stärksten aller Stämme im heißen Sand begraben, um zu dörren und vollständig zu bleiben, damit die Würmer sie nicht fraßen, bis ich zu ihnen kam. Wie der Wanderer, den ich geweckt hatte. Diese Kalten gruben sie aus und brachten sie zu mir, wenn ich kam, und ich hauchte ihnen neues Leben ein. Und sie standen auf und kehrten zu ihren Familien zurück. Lange mussten sie warten, denn jeder Stamm forderte mein Kommen. Manchmal dauerte es zehn Mal ein Jahr, bis ich sie zurückholte zu ihren Geliebten. Um die Zeit zu überlisten, fingen sie schon zu Lebzeiten an, den Anführern Häuser aus Ziegeln zu bauen, für ihren Leichnam, und sie nannten die Häuser mastaba. Wo der Sand nicht heiß genug war, rieben sie die Kalten mit Salz ein und zogen so das Wasser aus ihren Körpern. Sie bestrichen sie mit dem mum der Bienen und also sahen sie so aus, als ob sie schliefen.
    »Er ist eine mûmia !«, riefen alle, und es bedeutete, er lebt nicht mehr und ist doch noch immer unter uns. Getreide legte man zu ihnen, damit sie etwas essen konnten, wenn ich sie geweckt hatte, und Schmuck, damit sie nicht nackt vor die Ihren treten mussten. Da bat ich Seth um Verzeihung. Ich nahm das Harz, das weit entfernt aus den Bäumen fließt und das alle myrrhe nennen, und rieb den Kalten damit ein. Ich legte meinen Mund an seinen Mund und bellte ihm neues Leben ein.
    Jeden von ihnen holte ich zurück, und ich dachte, es sei Seth von großem Nutzen. Denn alle die es sahen, fürchteten Seth und priesen seinen Namen als den mächtigsten Gott von allen. Sie nannten ihn den, der alle anderen Götter niederschlägt mit seiner Kraft. Sie jubelten und verbeugten sich vor Seth und die Stämme folgten mir weiter und weiter.
    Aber der Schatten des Horus lag über all meinen Taten. Und seine Augen sahen genau, was meine Hände vollbrachten.

15. Kapitel

16. Kapitel
    Kairo, Khan al-Khalili, Montag, 15 . Oktober 2007, 1 4 Uhr
    Sid rannte durch die Gässchen des suq , ohne Plan, ohne Ziel. Geschäfte, Stände, Verkäufer flogen an ihm vorüber. Seltsam unbeteiligt sahen ihm die Menschen hinterher. Kopfschüttelnd über den seltsamen Fremden.
    Wussten sie denn nichts von der Gefahr? Spürten sie seine Not nicht? Er jagte zwischen den Wasserverkäufern hindurch. Stieß sie um, wollte nur fliehen, vor den Guten, vor den Bösen. Aber es war sinnlos! Der Scheußlichste, Widerwärtigste von allen saß da drin, in seiner Brust, und ihn würde er auf diese Weise nicht loswerden. Er war es selbst. Tränen der Ohnmacht liefen ihm über die Wangen. Verzweifelt blickte er sich um. Rascal hatte ihm anfangs noch folgen können, doch jetzt hatte sie seine Spur verloren. Er war allein. Allein mit der erdrückenden Erkenntnis, dass sein altes Leben nicht mehr existierte. Dass der alte Sid nicht mehr existierte. Zwischen Marktständen mit den seltsamsten Waren drückte er sich durch, immer tiefer in den Basar hinein.
    Plötzlich schlug ihm ein Geruch wie ein Hammer entgegen. Kümmel. Sein Blick wurde klarer. Vor ihm reihten sich Dutzende von Gewürzständen aneinander. Die Müller waren über und über mit dem Pulver bedeckt, das aus ihren Mühlen staubte. Gelbe, rote, braune Gesichter. Aus hohlen Augen starrten ihn diese bunten Gespenster an. Sid wurde übel. Kümmel, dieses fürchterliche Kraut, nach dem auch sein zernarbter Verfolger in New York gerochen hatte. Lava schien durch seine Adern zu strömen. Schweiß trat ihm in dicken Tropfen auf die Stirn. Die Beine knickten ihm weg.
    Wimmernd ließ er sich auf die Knie fallen und rollte unter einen Marktstand. Er wand sich wie in Fieberkrämpfen, seltsame Bilder traten ihm vor Augen: Ich war schon einmal hier!
    Wo bist du, mein Herz?
    Menschen betrachten mich, voller Mitleid, voller Grausen.
    Warum kann ich nicht reden?
    Warum lasst ihr mich nicht gehen?
    Sid zitterte am ganzen Körper. Seine Zähne bissen so fest aufeinander, dass sein Kiefer schmerzte. Die fransigen Haarsträhnen klebten an seiner Stirn. Wie lange war er in diesem Zustand gewesen? Ein paar Sekunden? Mehrere Stunden? Als er die Augen öffnete, sah er ein Gesicht, das über und über mit roter Farbe bedeckt war. Endlich schob sich ein weiterer Kopf in sein Blickfeld. Knallrote Haare und diese unverwechselbaren blauen Augen.
    »Komm!«, sagte Rascal

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