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Der Schatten des Horus

Der Schatten des Horus

Titel: Der Schatten des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo P. Lassak
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doch wahnsinnig, wie ihm sein Patenonkel, sein Psychiater und seine Eltern weiszumachen versucht hatten, und der Kult war nur ein Gespinst eines kranken Hirns? Er dachte über die SMS-Nachrichten seiner Eltern nach. Sie klangen ehrlich besorgt und nicht danach, als hätten sie ihn skrupellos an einen finsteren Kult verschachert. Und sein Patenonkel? Sid, es ist alles ein großes Missverständni s – konnte er sich so dreist verstellen? Doch die Schriftstücke, die Sid im Tresor seiner Eltern gefunden hatte, sprachen eine andere Sprache. Sie hielten ihn offenbar für ziemlich naiv, wenn sie glaubten, er würde nach diesen schwachen Entschuldigungen wieder zurückkehren.
    Plötzlich ertappte Sid sich dabei, wie er mit seinem neuen Herz sprach. Die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus, er ließ es geschehen.
    »Du musst mir helfen!«, flüsterte Sid. Zärtlich strich er mit der flachen Hand über die linke Hälfte seines Oberkörpers, als ob er einen Hund beruhigen wollte. »Du gehörst jetzt zu mir, nicht mehr zu Setepenseth. Wir müssen die Mumie finden und zerstöre n – vielleicht wirst dann auch du vom Fluch der Unsterblichkeit erlöst!« Er seufzte tief. »Oder bist du wirklich so schlecht, wie Faux mir weismachen will? Ich glaube nicht.« Sid schloss die Augen.
    Das Herz antwortete nicht, es klopfte unbeirrt weiter. Ba-Bomm, Ba-Bomm .
    Viel später spürte er ein energisches Rütteln an seiner Schulter. »Sid, steh auf, wir haben verschlafen!« Rascal stand vor ihm und zwängte sich in einen knöchellangen, karierten Rock. Sie sa h – wie immer– atemberaubend aus.
    »Schnell!«, mahnte sie. »Yusuf erwartet uns um halb neun vor dem Hotel!« Sid rappelte sich auf und schlüpfte in die Jeans und das langärmelige Shirt, das ihm Rascal hinhielt.
    Der rumpelnde Aufzug brachte sie nach unten.
    »Ich musste den ganzen Morgen über die SMS-Nachrichten meiner Eltern nachdenken«, murmelte Sid und hielt Rascal sein Handy unter die Nase. »Ich glaub e …«
    Rascal fuhr herum. »Bist du bescheuert, dieses Ding anzuschalten? Hast du noch nie was davon gehört, dass man uns so finden kann? Über Satellit?« Sie schlug die Hände vors Gesicht. »Da haben wir endlich alle abgehängt und Sidney Martins schickt ihnen Liebesbriefe mit Absender!«
    Sid merkte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. »Scheiße«, fluchte er. »Daran habe ich echt nicht gedacht!«
    »Dann mach’s aus. Schnell! Und am besten schmeißt du’s gleich in den Nil!«
    Nach einer Ewigkeit hielt der Fahrstuhl an. Yusuf wartete schon auf der Straße, über die Sharia Talaat Harb liefen sie Richtung Westen. Der Midan Tahrir, das Zentrum des modernen Kairos, wirkte so überfüllt, als wollte jeder Einwohner der Stadt gerade jetzt seinen Fuß auf den Platz setzen. Aus den U-Bahn-Schächten quollen sie hervor und aus Taxitüren, grün-weiße Busse karrten sie heran. Und jeder versuchte mit jedem noch ein kurzes Schwätzchen zu halten, bevor alle in den hässlichen Gebäuden um den Platz verschwanden.
    Endlich hatte ihnen Yusuf einen Weg gebahnt, vorbei am Nile Hilton, das auch schon bessere Tage erlebt hatte. Dann waren sie am Ziel. Die Sandsteinfassade des Ägyptischen Museums schimmerte rosa in der Morgensonne. Sid konnte kaum glauben, dass dieses zweigeschossige Gebäude tatsächlich mehr als 120.00 0 Ausstellungsstücke beherbergen sollte. Mindestens ebenso viele, hieß es, stapelten sich nicht katalogisiert in seinen Kellerräumen und Lagern. Fundstücke von unschätzbarem Wert hatte Ägypten scheinbar mehr als reichlich.
    Lange Menschenschlangen wälzten sich durch das Tor auf den begrünten Vorplatz. Hier war von der Hektik der Millionenstadt nur noch wenig zu spüren, wie eine Oase der Ruhe schmiegte sich der Garten zwischen die hässlichen Hochhäuser der Umgebung. Manche Touristen hofften wohl, der Ansturm würde in absehbarer Zeit nachlassen und hockten sich unter die Bäume in den Schatten. Sid sehnte sich ebenfalls danach, aus der prallen Sonne zu gehen, aber Yusuf versicherte ihnen, dass es hier immer so voll bleiben würde.
    Quälend langsam schoben sich die drei vorwärts. In einem Wasserbecken schwammen Seerosen, flankiert von steinernen Wächtern. Stelen voller Hieroglyphen waren ohne erkennbare Ordnung auf den dreieckigen Rasenflächen verteilt. Als sie endlich die Stufen zum Eingang erklommen hatten, erkannte Sid den Grund des Staus. Jeder Besucher musste durch eine Schleuse, wo Kleidung und Taschen von Metalldetektoren durchleuchtet

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