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Der Schatten des Schwans

Der Schatten des Schwans

Titel: Der Schatten des Schwans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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erst zum Hypnotisieren. Irgendwie kam mir der Mensch bekannt vor, und als er sein Pendel vorzog, fiel es mir ein: Er war wegen Kindesmissbrauchs zur Fahndung ausgeschrieben.«
    »Und dann haben Sie ihn festgenommen und müssen jetzt weiterrauchen?«
    »Genau«, sagte Felleisen. »Ich bin ein Opfer meines Berufs.«
    Ein Mensch mit einer kühn toupierten schwarzen Mähne trat aus einem Hinterzimmer und kam auf sie zu. Er trug einen dunklen italienischen Anzug, Stiefeletten und hatte sich seit mehreren Tagen nicht rasiert.
    »Der Herr Felleisen! Welch eine Überraschung«, sagte er, nahm sich einen Stuhl und setzte sich ihnen gegenüber. »Es sind sonst nämlich andere Herrschaften, die mit einer Dame hierher kommen.« Er begann Tamar eingehend zu mustern. Sie trug an diesem Wintertag einen eng sitzenden Wollpullover über einem weiten Rock. Seine Augen tasteten die Konturen ihres Oberkörpers ab. »Charmant«, sagte er dann. »Etwas für den anspruchsvollen Geschmack.« Zur Antwort warf sie einen kühlen und abschätzigen Blick auf seinen Hosenschlitz. Dann lächelte sie ihn mitleidsvoll an.
    »Geben Sie acht, Holaschke, dass diese Dame nicht Ihr Etablissement auf den Kopf stellt«, sagte Felleisen. »Und fragen Sie bloß nicht, weshalb. Wir finden immer etwas.«
    »Soll ich meinen Anwalt anrufen?«, fragte Holaschke.

    »Es wäre sehr aufschlussreich, wenn Sie das täten«, antwortete Felleisen. Tamar entschied, dass sie das Tempo anziehen müssten. »Seit wann wissen Sie, dass ihre Mädchen K.-o.-Tropfen benützen?«
    Holaschke schwieg. Dann schüttelte er den Kopf. »Nee«, sagte er, »nicht mit mir. Gibt es bei mir nicht. Hat es nie gegeben, wird es nie geben. Felleisen müsste wissen, dass das bei mir nicht läuft.«
    »Gar nichts weiß ich«, sagte Felleisen. »Außer, dass da etwas faul ist.«
    »Hören Sie, junge Frau«, sagte Holaschke, »ein Nachtlokal ist ein Nachtlokal. Wer da reingeht, weiß, dass das nicht ganz billig ist. Und am nächsten Morgen hat mancher schon mal Ärger mit Muttchen, weil er ein paar Mäuse zu viel hat springen lassen. Aber zur Polizei zu gehen und von K.-o.-Tropfen reden: das ist ein starkes Stück . . .«
    »Niemand hat das getan«, flötete Tamar mit ihrer sanftesten Stimme. »Der Mann hat nicht geredet. Kein einziges Wort mehr.«
    »Er war nämlich tot«, sagte Felleisen. »Mausetot.«
    Holaschke blickte von Felleisen zu Tamar und wieder zurück. »Und Sie können beweisen, dass der Mann hier war?«
    »Ach das!«, sagte Felleisen. »Dafür genügt notfalls so etwas.« Aus seiner Westentasche zog er ein mattglänzendes schwarzes Streichholzbriefchen hervor und zeigte es umher. Über der Aufschrift »Lido-Bar« sah man die kühnen Umrisse eines rosenfarbenen nackten Busens.
    »Das ist ein Bluff«, erklärte Holaschke entschlossen. »Wenn Sie das bei ihm gefunden hätten, wären Sie hier in voller Bataillonsstärke und mit Hausdurchsuchungsbefehl angerückt.«
    »Kann noch alles kommen«, antwortete Felleisen.
    »Und ich denke, dass Sie nicht so dumm sind, um das zu riskieren«, sagte Tamar. »Warum kooperieren Sie nicht einfach mit uns und erzählen uns, was Sie über die Leute wissen, die K.-o.-Tropfen einsetzen?«

    Holaschke grinste. »Schicken Sie den da weg«, er wies mit dem Kopf auf Felleisen, »und Sie werden sich wundern, wie gut ich Ihnen das Kooperieren besorge.«
    Tamar stand auf und trat lächelnd auf Holaschke zu. »Schöne Frisur haben Sie da«, sagte sie und hob die Hand. Holaschke stand hastig auf. Tamar tippte leicht mit der Hand gegen seine Brust. Holaschkes Oberkörper zuckte nach vorn, um das Gleichgewicht zu behalten. Tamar griff mit der Hand in Holaschkes Kragen und riss ihn zu sich her. Dabei rammte sie ihm das Knie in den Unterleib. Holaschke flog nach vorne und landete auf dem Fußboden.
    Plötzlich war er glatzköpfig.
    »Sie haben Ihr Toupet verloren«, sagte Felleisen. »Vielleicht wäre es doch besser, wenn Sie uns erzählen, was mit diesen Tropfen ist. Die Leute fallen so leicht. Womöglich brechen Sie sich noch was.«

Donnerstag, 29. Januar, 18.50 Uhr
    Winternebel lag über der Stadt. Halberg hatte den Fernseher eingeschaltet und sah sich die Nachrichten der Landesschau an. Die Umstände, unter denen Thalmann seine Flucht aus Mariazell bewerkstelligt hatte, wurden ausführlich, fast, hatte er den Eindruck, genüsslich geschildert. Eine ausgedehnte Kamerafahrt zeigte das Interieur der Zahnarztwohnung, mit der in der Totalen aufgenommenen Sitztruhe

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