Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
Vom Netzwerk:
Traum geträumt. Die Häuptlinge, die nicht kommen, und diejenigen, die nicht zustimmen... Ihre Septimen werden sterben, Mandein. Innerhalb von drei Generationen werden sie nur noch Staub sein, und ihre Festungen und ihr Vieh gehören anderen Septimen. Ihre Namen wird man vergessen.« Er hatte es nicht gern, wenn sie mit den Weisen Frauen anderer Septimen sprach, auch wenn es nur im Traum war.
    Aber die Weisen Frauen konnten im Schlaf die Welt der Träume betreten. Was sie dort sahen, war die Wahrheit. »Bleib hier«, sagte er zu ihr. »Falls ich nicht zurückkehre, hilf unseren Söhnen und Töchtern, die Septime zusammenzuhalten.« Sie berührte seine Wange. »Das werde ich, Schatten meines Lebens. Aber denk daran: Du mußt zustimmen.« Mandein hob die Hand, und hundert verschleierte Gestalten folgten ihm den Hang hinunter, schoben sich kaum sichtbar von Felsblock zu Felsblock, die Bögen und Speere kampfbereit in Händen. Ihre graue und braune Kleidung war der kahlen Landschaft angepaßt. Selbst für seine geschulten Augen waren sie fast nicht zu sehen. Es waren alles Männer. Er hatte alle Frauen der Septime, die den Speer gemeinsam mit den Männern trugen, bei Sealdre gelassen, zusammen mit einigen wenigen Männern. Falls etwas schiefging und sie sich entschloß, einen sinnlosen Rettungsversuch zu unternehmen, würden ihr die Männer vielleicht folgen, aber die Frauen würden sie auch notfalls gegen ihren Willen zur Festung zurückbringen, um Septime und Festung zu schützen. Er hoffte jedenfalls darauf. Manchmal konnten sie härter sein als jeder Mann und wohl auch sturer.
    Als er den Fuß des Abhangs erreichte, hatte die Prozession aus Rhuidean auf der von Rissen durchzogenen Lehmebene angehalten. Er bedeutete seinen Männern, sich in Deckung zu begeben, und dann ging er allein weiter, wobei er seinen Schleier entfernte. Er war sich anderer Männer bewußt, die links und rechts von ihm ebenfalls vom Berg hinabstiegen und von allen möglichen Richtungen her auf die hitzedurchglühte Lehmebene schritten. Wie viele? Vielleicht hundert? Einige der Gesichter, die er hier erwartet hatte, fehlten. Sealdre hatte recht wie meistens: Einige hatten nicht auf die Träume ihrer Weisen Frauen gehört. Er bemerkte Gesichter, die er noch nie gesehen hatte, und die Gesichter von Männern, die er einst zu töten versucht hatte. Männer, die sich nach besten Kräften bemüht hatten, auch ihn zu töten. Wenigstens war keiner verschleiert. Vor einem Jenn jemanden zu töten war beinahe genauso schlimm, wie einen Jenn zu töten. Er hoffte, auch die anderen würden sich daran erinnern. Wenn nur einer Verrat beging, würden alle die Schleier anlegen, die Krieger, die jeder Häuptling mitgebracht hatte, würden aus den Bergen herunterkommen, und dieser trockene Lehmboden würde von Blut getränkt. Er erwartete jeden Moment, einen Speer zwischen die Rippen zu bekommen.
    Obwohl er sich redlich bemühte, hundert verschiedene Todesboten auf einmal im Auge zu behalten, fiel es ihm schwer, die Aes Sedai nicht anzustarren, als die Träger die kunstvoll verzierten Sänften auf den Boden stellten. Das waren Frauen mit so weißem Haar, daß es schon beinahe transparent erschien. Alterslose Gesichter mit einer Haut, die aussah, als könne ein Windhauch sie zerreißen. Er hatte gehört, daß die Aes Sedai von den Jahren unbeeinflußt blieben. Wie alt mußten dann diese beiden sein? Was hatten sie gesehen? Konnten sie sich an die Zeit erinnern, als sein Großvater Comran als erster Ogier -Steddings in der Drachenmauer gefunden und angefangen hatte, mit ihnen Handel zu treiben? Oder vielleicht sogar, als Comrans Großvater Rhodric die Aiel angeführt hatte, um die Männer in den Eisenhemden zu bekämpfen, die die Drachenmauer überquert hatten? Die Aes Sedai wandten sich ihm zu. Die Augen der einen waren von klarem Blau und bei der anderen dunkelbraun. Es waren die ersten dunklen Augen, die er je gesehen hatte. Sie schienen direkt in seinen Schädel hineinzusehen und seine Gedanken zu lesen. Er wußte, daß er irgendwie auserlesen worden war, doch warum, konnte er nicht sagen. Mit Mühe riß er sich von diesen Blicken los, die ihn durchschauten, ihn besser kannten als er sich selbst.
    Ein hagerer, weißhaariger Mann, hochgewachsen, aber vom Alter gebeugt, kam von der Gruppe der Jenn herüber. Ihm zur Seite schritten zwei Frauen mit leicht ergrauten Haaren heran, die sehr wohl Schwestern sein konnten. Beide hatten die gleichen tiefliegenden grünen

Weitere Kostenlose Bücher