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Der Schatten im Norden

Der Schatten im Norden

Titel: Der Schatten im Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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umklammerten
sich zitternd wie Kinder und pressten ihre Lippen
aufeinander, wie wenn sie sich trinken wollten. »Jetzt«,
sagte sie, »kein Wort mehr, kein Wort... «
Mr. Windlesham ging nicht zum Droschkenstand am
Ende der Straße. Auf ihn wartete gleich um die Ecke eine
Kutsche, doch als er eingestiegen war, fuhr sie nicht
sofort los; der Kutscher wartete, während Mr.
Windlesham eine Lampe anzündete und ein, zwei Seiten
eines kleinen Buches mit Notizen füllte. Auch dann
fuhren sie immer noch nicht los. Nach weiteren Minuten
kam ein Mann in Arbeitskleidung aus der Gasse hinter
der Burton Street und klopfte an die Scheibe. Das
Kutschpferd, das einen merkwürdigen Geruch an der
Kleidung des Mannes witterte - war es Farbe oder
Terpentin? --- warf den Kopf im Geschirr hoch.
Mr. Windlesham kurbelte die Scheibe herunter und
schaute hinaus.
»Alles klar, Chef«, sagte der Mann ruhig.
Mr. Windlesham griff in seine Tasche und gab ihm eine
Goldmünze.
»Gut«, sagte er. »Vielen Dank und gute Nacht. « Der
Mann legte zum Gruß die Hand an die Mütze und ging
davon. Der Kutscher löste die Bremse, ließ die Peitsche
knallen, und die Kutsche fuhr in Richtung Westen ab.
Etwas später schaute Frederick Sally in die Augen. Sie
waren jetzt schläfrig, aber immer noch voller Glanz.
Auch ihr Mund war nun weich.
»Sally«, begann er, »willst du mich heiraten?«
»Natürlich«, sagte sie.
»>Natürlich< sagt sie... Einfach so! Und nach so langer
Zeit... «
»Oh Fred, ich liebe dich doch. Es tut mir Leid, dass es
so lange gebraucht hat. Ich dachte, ich könnte meinen
Beruf nicht ausüben, wenn ich verheiratet wäre. Oder
wenn ich zugäbe, dich zu lieben. Ich weiß, das klingt
jetzt albern... Aber seit vergangene Nacht Chaka getötet
wurde, weiß ich, dass meine Arbeit zu mir gehört, aber
dass ich kein Teil der Arbeit bin. Und ich habe gemerkt,
wie sehr ich dich brauche. Weißt du, wo mir das bewusst
geworden ist? In der Patentbibliothek... « Er lachte. Sie
biss ihm in die Nase.
»Lach nicht«, sagte sie. »Es ist wahr. Kein anderer auf
der Welt ist so wie du... Oh, ich habe mich verändert,
Fred. Ich sehe noch nicht klar in diesen Dingen, noch
nicht, aber ich denke darüber nach. Ich verspreche dir,
auch darin mein Bestes zu geben. « Die Glut im Kamin
fiel mit einem leisen Seufzer durch den Rost. »Habe ich
dir eigentlich schon gesagt, dass ich dich liebe?«, sagte
er. »Ich liebe dich, seit du mir damals an der Küste von
Kent --- erinnerst du dich, Mrs. Holland war hinter dir ---
, auf dieser schrecklichen Straße entgegenkamst. Weißt
du noch, wie du dich in dem Zelt versteckt hast?«
»Ich erinnere mich noch an alles. Oh Fred, das ist so
lange her. « Er küsste sie wieder, diesmal ganz sanft, und
löschte die Kerze. »Jetzt sind wir glücklich«, sagte er.
»Wir haben es verdient«, flüsterte sie und schmiegte
sich eng an ihn.
Mr. Windleshams Kutsche fuhr am Hyde Park Gate 47
vor, ließ ihn aussteigen und rollte dann in die Remise
hinter dem Haus. Er gab Hut und Mantel einem Diener
und wurde nach einer Minute in ein geräumiges
Arbeitszimmer geführt. »Nun?«, fragte Axel Bellmann
von seinem Schreibtisch aus. »Er ist dort. Als ich kam,
lagen Spielkarten auf dem Küchentisch. Gewiss, sie
hätten auch irgendein Spiel gespielt haben können, aber
die Karten waren so aufgelegt, wie wenn jemand damit
Tricks vorgeführt hätte. Kaum war ich eingetreten,
räumte sie sie weg. Und als ich auf die Ereignisse in
Schottland zu sprechen kam, schaute der junge Mann
unwillkürlich zur Treppe hinüber. « »Und alles andere ist
vorbereitet?« »Alles wie geplant, Mr. Bellmann. «
Das ernste Gesicht des Finanziers regte sich und zeigte
den Anflug eines Lächelns.
»Sehr gut, Windlesham. Trinken Sie ein Glas Brandy
mit mir?« »Gern, Mr. Bellmann. «
Ein Diener brachte eine Flasche, schenkte ein und
reichte die Gläser. Mr. Windlesham setzte sich, wobei er
darauf achtete, seine Rockschöße nicht zu zerknittern.
»Haben die beiden eigentlich Ihren Vorschlag für bare
Münze genommen?«, fragte ihn Bellmann.
»Oh nein. Keinen Augenblick. Aber ihre
Aufmerksamkeit blieb dadurch hinreichend lange
gefesselt. « Er trank einen Schluck. »Wissen Sie, Mr.
Bellmann«, fuhr er fort, »die beiden haben mich wirklich
im positiven Sinne beeindruckt. Es ist wirklich schade,
dass keine Aussicht besteht, mit ihnen ins Geschäft zu
kommen. « »Oh, dafür ist es zu spät, Windlesham«, sagte
Axel Bellmann und lehnte sich lächelnd in seinen Sessel

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