Der Schatten im Wasser
Eingeborenen sind lebensgefährlich. Nee, war nur ein Scherz. Aber man benötigt es für den Dschungel, wie du dir denken kannst! Die Lianen. Die ganzen Pflanzen. Wir werden die ersten Weißen sein, die in diese Gegend kommen, kannst du dir ja vorstellen. Und natürlich für die Tiere. Ich habe keine Lust, Auge in Auge mit einem Riesentiger zu stehen, ohne eine Chance, mich zu verteidigen.«
»Klar.«
Nathan wies auf den Rucksack.
»Vielleicht nicht gerade das luxuriöseste Modell. Aber man muss ja auch an die Finanzen denken. Ich war beim Outlet-Store und hab dort ein paar Sachen gekauft, die funktionell und richtig gut sind. Und bedeutend billiger als das, was du in der Naturkompanie kriegst. Da lassen sie dich richtig löhnen. Übrigens, diesen Hut hab ich auch dort gekauft. Aber das war’s auch schon.«
Er hob eine grüne, bereits getragene Militärhose hoch und hielt sie sich an.
»Schau. Ist die hier etwa nicht in Ordnung?«
Micke zuckte mit den Achseln.
»Doch«, antwortete er gedämpft.
»Das Reisen mit mir muss billig sein. Das ist meine Geschäftsidee. Die Leute sollen es sich leisten können. Ich will nicht irgendwelche reichen Fatzkes dabeihaben, die eine völlig andere Mentalität besitzen. Ich kenne diesen Typ Mensch. Sie wollen, dass man sich um sie kümmert, ihnen tragen hilft und ihnen sogar den Arsch abwischt, wenn Montezumas Rache zugeschlagen hat. Nein, es sollen vernünftige Leute sein, die mit mir fahren. Gewöhnliche Schweden. Leute, die Abenteuer erleben wollen und bereit sind, sich Herausforderungen zu stellen, aber sich nicht über Kohle definieren. Und ich möchte ihnen etwas Interessantes und Spannendes bieten, ohne dass sie sich dafür ruinieren müssen. Eine Erinnerung fürs Leben. Das ist meine Marktnische, oder, besser gesagt, das wird sie. Das hier wird richtig gut werden. Und dann, wenn du mit der Schule fertig bist, Micke. Dann wirst du Teilhaber der Firma.«
»Mm.«
Nathan redete weiter. Er roch leicht nach Alkohol.
»Wie sollen wir uns eigentlich nennen, was meinst du? Gendser und Sohn? Reisebüro Gendser & Sohn? Gendser Travelling Company? Oder challenge, etwas mit challenge … Was denkst du?«
In dem Moment fiel es ihm ein.
»Cheap Trip«, sagte er griesgrämig, es kam ihm einfach so über die Lippen.
»Cheap Trip!« Sein Vater riss sich den Hut vom Kopf und schleuderte ihn geradewegs in die Luft. »Du bist ein Genie, Junge. Das hab ich schon immer gesagt. Ein Genie! Du musst in unserem Unternehmen der PR-Typ werden, büffel du nur ordentlich, und dann legen wir los. Sobald du dein Abi in der Tasche hast.«
Für diese erste Reise hatte er ein Mädel engagiert, das Fotos machen und eine Broschüre erstellen sollte. Sie sollte ein Mitglied der Versuchstruppe, wie Nathan sie nannte, werden. Er erzähl le Micke davon.
»Sie heißt Martina, verdammt attraktiv. Schau her! Aber sag auf keinen Fall deiner Mutter etwas.«
Er faltete eine Zeitung mit einem großen Farbfoto von einer jungen Frau auseinander. Tatsächlich, sehr hübsch. Über ihrer Schulter hing eine Kamera, die hochwertig aussah. Die Frau trug einen kurzen Jeansrock und ein Top. Das eine Bein hatte sie auf eine Mauer oder einen Absatz gestellt. Sie hatte schlanke, glatte Oberschenkel und war tiefbraun gebrannt.
DIE TOCHTER DES KONZERTPIANISTEN – JETZT ZEIGT SIE UNS DIE WELT, las er. Widerstrebend überflog er dann den zugehörigen Text.
Mit der Kamera als einzigem Begleiter. Martina, 25, Tochter des berühmten Konzertpianisten Mats H. Andersson, ist eine junge Frau, die unbekanntes Terrain nicht scheut. Mit gezückter Kamera bereist sie die ganze Welt und zeigt uns entlegene Gegenden, von denen wir nicht einmal wussten, dass sie überhaupt existieren.
»Eine richtige kleine Schönheit, was?«, gluckste Nathan. Seine Zähne strahlten in einem fast unnatürlichen Weiß. Er nahm sein Glas, das auf der Fensterbank gestanden hatte, und trank einen Schluck. »Wir werden sie in Kuala Lumpur treffen, sie kommt direkt aus Nepal dorthin.«
Micke empfand eine schwelende Eifersucht.
Nathan fuhr ihm mit der Hand kräftig durchs Haar. Griff dann nach seinem Nacken und beugte ihn hinunter.
»Was sagst du, Junge? Bist du geil auf sie?«
Wütend riss er sich los.
»Ach übrigens, möchtest du etwas trinken? Ich glaube, es steht noch eine Cola im Kühlschrank.«
»Okay.«
Er ging hinaus in die Küche. Die Spüle war übersät mit benutzten Gläsern und Tellern. Der Kühlschrank war fast leer. Dort
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