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Der Schatten von nebenan - Roman

Der Schatten von nebenan - Roman

Titel: Der Schatten von nebenan - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Saur
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…«
    Dann erging sich Palmer in einer Beschreibung, die mir Übelkeit verursachte. Die Zunge schwillt zur Größe eines T-Bone-Steaks an, erklärte er. Es fängt mit Schwindel an. Dann pinkelt man sich an. Die Beine werden taub. Während er sprach, zog er eines der Flugblätter aus der Tasche seiner Jacke, faltete es auseinander und hielt es mir hin, ohne selbst darauf zu sehen. Dass Palmer das tote Mädchen gesehen hatte, wurde mir in dem Moment erst richtig klar, und seine Nähe, entweder zu mir oder zu dem toten Mädchen, schockierte mich jetzt durch und durch. Ihr Bild kehrte zurück. Die Frische in ihrem Gesicht. Der Staub auf ihren Wangen. Wie ihr Haar flog, als sie wegrannte. Ich sah das alles vor mir. Ich hörte wieder den Klang ihrer hohen und nervösen Mädchenstimme.
    »Ich erwarte den gerichtsmedizinischen Bericht bis morgen Früh, dann wissen wir mehr«, sagte Palmer. Die Ereignisse jagten durch meinen Kopf, hüpften und sprangen vor und zurück wie verrückt gewordene Gummibälle. Wieder versuchte ich, die Zusammenhänge der Ereignisse zu finden; der Buchladen, Priscilla, Gretas Besuch, die Lösegeldforderung. Es schien plötzlich nicht mehr wichtig zu sein, erst mit Amos zu reden. Ich musste loswerden, was ich wusste. Genauso gut konnte ich Palmer alles erzählen. Ich war bereit, mein Herz auszuschütten, mich selbst von meinem Wissen zu befreien.
    Doch manchmal, wenn man im richtigen Moment das Richtige tun möchte, geht das nicht mehr, denn ohne es zu wissen, ist dein Leben Teil von jemand anderem geworden, und in dem Moment, wo du das Entscheidende hättest tun können, gleiten dir die Dinge endgültig aus der Hand wie ein rutschiges Stück Seife.
    »Sie hat angerufen …«, sagte Detective Palmer.
    Mit diesem Halbsatz stoppte er mich.
    »… sie was?«, fragte ich verwirrt.
    »Greta hat heute morgen ihre Eltern angerufen.«
    Seine Worte erreichten mich. Aber was ich verstand, war in dem Moment etwas ganz anderes. Der wahre Empfänger von Gretas Anruf war ich.
    »Schneller und merkwürdiger Anruf. Sie sei in Sicherheit und unverletzt. Klick. Mehr hat sie nicht gesagt. Ich fragte Amos, wie sie klang. Er konnte mir nicht mehr sagen.«
    Palmer machte eine Pause.
    »Aber wenn man jemanden gut kennt, weiß man ziemlich genau, wie jemand klingt. Er wollte nicht darauf eingehen. Es war, als wollte Amos irgendwas nicht preisgeben.«
    Mein Herz klopfte so stark, dass ich befürchtete, Palmer könnte sehen, wie sich mein Hemd auf und ab bewegt. »Sie sagte, es ginge ihr gut und dann war die Leitung tot. Das war laut Amos alles. Ich sprach auch mit seiner Frau. Sie wenden sich nicht mehr an mich, wie sie es noch vor ein paar Tagen taten. Wissen Sie, am Anfang reagierten die Eltern … ja, völlig aufgebracht. Nun scheinen sie nicht mehr derart besorgt, zumindest nicht mehr so verstört. Tief im Inneren sind sie ruhiger, als ob sie etwas Entscheidendes wüssten, aber mir nicht sagen wollten.«
    Er hatte langsam und nachdenklich gesprochen und warf mir einen weiteren seiner festen Blicke zu.
    »Hören Sie, ich erzähl Ihnen jetzt mal was, weil ich den Eindruck nicht loswerde, dass Sie sich auf die Zunge beißen. Erinnern Sie sich, wie Sie bei unserem ersten Treffen sagten, Sie würden alles in ihrer Macht Stehende tun, um zu helfen?«
    Ich konnte den Telefonanruf nicht aus meinen Kopf bekommen. Es war so, als wollte Greta mich wissen lassen, dass es ihr gut ging. Während ich in meiner Suche nach möglichen Erklärungen für den Anruf versank, sprach Palmer weiter:
    »Und da ist noch etwas anderes. Wir haben in der Nachbarschaft herumgefragt, nachdem die Entführungen angefangen hatten. Die Nachbarin von Amos erwähnte, dass Sie jemanden in Ihrem Haus beherbergen, sie erwähnte einen Mann, der vor ein paar Tagen Ihr Haus betreten hätte. Sie sah jemanden mit einem Koffer bei ihnen reingehen, und später sah sie den Mann und Sie zusammen.«
    »Durant. Randolph Durant ist sein Name. Aber es war wirklich ein rein zufälliger Besuch«, sagte ich ihm.
    Ich sprach rasch und dankbar, die Informationen endlich loswerden zu können. Auf dem Fußboden lag die zerknüllte Drogerietüte, die Durant vergessen hatte. Ich griff nach ihr und zog ein Exemplar von »River Blue« heraus.
    »Hier, er hat etwas vergessen«, sagte ich, »er kam rein zufällig vorbei.«
    »Was ist in der Tüte?«, fragte Palmer.
    »Amos’ Buch.«
    »Amos’ Buch?«
    Ich konnte auf Palmers Gesicht ablesen, dass ihm auf beunruhigende Art auffiel, wie

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