Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatten von Thot

Der Schatten von Thot

Titel: Der Schatten von Thot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
Vom Netzwerk:
weiter wich das Licht zurück, und Sarah wurde klar, dass sie das Tor auf andere Weise durchschreiten musste. Sie erinnerte sich an den Revolver in ihrer Hand…
    Mit buchstäblich letzter Kraft gelang es ihr, die Waffe zu heben und auf sich zu richten. Den Daumen vor dem Abzug, wollte Sarah ihrer Existenz ein Ende setzen, um die Pforte zu durchqueren und zu ihrem Vater, zu du Gard und all den anderen zu gelangen, die ihr auf dem Weg alles Sterblichen vorangegangen waren.
    Ein lautloser Schatten glitt an ihr vorüber – es war der Schakal, der sie noch immer lauernd umkreiste. Gleich, dachte Sarah, würde er bekommen, worauf er so geduldig gewartet hatte.
    Ein lauter Knall, der von den Felsen zurückgeworfen wurde und in der Gluthitze verhallte – und Sarah fiel in dunkle Schwärze.

 
    4
     
     
     
    Als Sarah Kincaid die Augen aufschlug, war sie der festen Überzeugung, tot zu sein.
    Alles um sie herum – ihre von blassem Licht beleuchtete Umgebung, die Gerüche in ihrer Nase, die Geräusche, die von fern an ihr Ohr drangen – war so fremdartig, dass sie einige Augenblicke brauchte, um zu begreifen, dass sie sich nicht etwa im Jenseits befand, sondern noch immer höchst lebendig war. Ihre Verblüffung darüber war noch größer als über die exotische Umgebung, in der sie sich wiederfand.
    Das Letzte, woran sich Sarah erinnerte, waren Schmerz und Verzweiflung, Schmerz, der jeden Inch ihres Körpers ausgefüllt hatte, und Verzweiflung, die so groß gewesen war, dass sie den Tod herbeigesehnt hatte. An das, was dann geschehen war, konnte sie sich nur sehr verschwommen erinnern; ihr war, als wären ihr ihr Vater und du Gard begegnet. Sie war dem Wahnsinn nahe gewesen, hatte fast den Verstand verloren angesichts der erbarmungslosen Hitze – und nun fand sie sich an diesem fremden und unwirklichen Ort wieder.
    Sie befand sich in einem Zelt, durch dessen Dach und Wände spärliches Tageslicht sickerte und das nicht nach Beduinenart errichtet war. Es gab keine Stangen, die das Dach stützten, im Gegenteil: Ein hölzernes Gerüst wölbte sich über Sarah, das als Grundkonstruktion der Behausung diente. Darüber waren dicht gewebte, farbig gestreifte Decken gebreitet, die nur wenig Sonnenlicht durchließen. Die Wände des Zeltes bestanden aus Matten, die aus Palmbast geflochten waren. Durchlässig, wie sie waren, sorgten sie dafür, dass sich die Luft im Zelt nicht staute und es angenehm temperiert war, obwohl draußen wahrscheinlich sengende Hitze herrschte. Auch der Boden war beschlagen, nicht mit Teppichen, wie es bei den Beduinen Brauch war, sondern gleichfalls mit gestreiften Decken. Dies und die eigenartige Bauweise des Zeltes ließen Sarah erahnen, wo sie sich befand. Gewissheit stellte sich jedoch erst ein, als sie bemerkte, dass sie nicht allein im Zelt war.
    Hinter ihr stand ein groß gewachsener Mann, der einen tagelmust trug, einen Turban, dessen Enden so um sein Gesicht geschlungen waren, dass nur noch die Augen des Mannes zu sehen waren. Sein Kaftan war von dunkler, indigoblauer Farbe, die Sarah erkennen ließ, in wessen Gewahrsam sie sich befand.
    Dieser Mann war ein Tuareg.
    Sarah zuckte innerlich zusammen. Sie hatte schon viel von den geheimnisvollen, kriegerischen Bewohnern der Wüste gehört, war ihnen jedoch noch nie begegnet. Die Sahara war ihre Heimat, aber bislang hatte Sarah stets geglaubt, dass die Tuareg, die als Nomaden umherzogen, ihre Gebiete weiter westlich hatten, zwischen den Schluchten von Tibesti und den Kämmen des Air. Wie es aussah, hatte sie sich wohl geirrt, denn ihr Bewacher, in dessen Schärpe ein blitzendes Schwert steckte, gehörte ohne jeden Zweifel zu ihnen…
    Dunkle Augen taxierten Sarah aus einem dunklen Gesicht, ohne dass auch nur zu erahnen war, was der Vermummte dachte.
    »Aslama«, grüßte Sarah auf Arabisch.
    »Du wach«, erwiderte er lediglich, sich dabei ebenfalls des Arabischen bedienend, das er allerdings nur leidlich beherrschte. Die Tuareg pflegten ihren eigenen Dialekt zu sprechen.
    »Ja«, sagte Sarah nur. Noch immer klang ihre Stimme heiser und krächzend, aber wenigstens bereitete ihr das Sprechen keine Schmerzen mehr.
    Der Krieger nickte und verließ das Zelt. Kaum war er verschwunden, erhielt Sarah erneut Gesellschaft, diesmal von einer Gruppe Tuareg-Frauen, die schweigend in das Zelt drängten. Auch sie trugen Kopftücher und indigoblaue Kleider, aber anders als bei dem Mann waren ihre Gesichter unverhüllt. Die Schönheit der Tuareg-Frauen besaß

Weitere Kostenlose Bücher