Der Schatten von Thot
können, wenn du dich selbst dazu entschiedst, also mussten die Informationen, die ich dir zukommen ließ, dich über kurz oder lang auf die Spur des Thot-Kultes führen, geradewegs nach Ägypten.«
»Ich verstehe«, sagte Sarah ernüchtert. »Und die Entführung?«
»Bedanke dich bei Scotland Yard dafür. Meine eigene Entführung zu fingieren, war ganz sicher nicht Teil meines ursprünglichen Plans. Aber nachdem diese bornierten Idioten sich weigerten, deine Theorien anzuerkennen, mussten wir mehr Druck ausüben. Mir war klar, dass die Entführung eines königlichen Leibarztes den Yard unter Zugzwang setzen und dass er unter diesen Voraussetzungen bereit sein würde, einer Expedition zuzustimmen.«
»Es war also alles geplant: deine Entführung, die Expedition, die Suche nach dem Buch des Thot…«
»Gewiss.«
»Und dafür hast du sogar Morde begangen?«
»Natürlich«, erklärte der Doktor in unverhohlenem Stolz. »Zum einen dienten die Morde im East End als Ablenkungsmanöver, mit dem Ziel, die königliche Familie in Misskredit zu bringen. Zum anderen sollten sie deine Aufmerksamkeit und dein Interesse wecken – beides ist uns gelungen. Darüber hinaus gab es aber auch noch einen dritten Grund, wie du schon bald erfahren wirst…«
»Wer hat es getan?«, fragte Sarah mit bebender Stimme, während ihr die schreckliche Wahrheit bereits zu dämmern begann. »Wer ist der Mörder dieser Frauen, Onkel Mortimer?«
»Nun…« Laydon lächelte, was seinen ausgemergelten Zügen das Aussehen eines Totenschädels gab, »… wie die Beamten des Scotland Yard trotz ihrer offensichtlichen Defizite feststellten, war der Täter ein Mann mit herausragenden anatomischen Kenntnissen. Ein Mediziner, um genau zu sein…«
»Bitte«, stöhnte Sarah, während ihr Tränen der Enttäuschung und des blanken Entsetzens in die Augen traten, »sprich nicht weiter.«
»… und da ich in der Tat über solche Kenntnisse verfüge und ich mir die Chance, anatomische Studien gewissermaßen am lebenden Objekt zu betreiben, nicht entgehen lassen wollte, habe ich die Gelegenheit am Schopf ergriffen«, fuhr Laydon erbarmungslos fort. »Am blutigen Schopf, um genau zu sein«, fügte er in einem Anflug rabenschwarzen Humors hinzu.
Sarah konnte nicht darüber lachen. Mit Blicken, die unmöglich zu deuten waren, musterte sie den Mann, den sie einst geliebt hatte wie einen zweiten Vater, und konnte beinahe spüren, wie sich ihre Zuneigung in blanken Hass verwandelte.
»Du Scheusal«, flüsterte sie. »Du unbegreifliches, elendes Scheusal! Wie konnte ich mich nur so in dir irren?«
»Ehrlich gesagt, meine Teure, weiß ich das auch nicht.« Laydon grinste erneut.
»Was hast du vor?«, fragte Sarah lauernd. »Was, in aller Welt, soll die schrecklichen Bluttaten rechtfertigen, die du begangen hast?«
»Bluttaten für die einen, Bauernopfer für die anderen«, gab Laydon achselzuckend zur Antwort. Die Güte und Weisheit, die Sarah früher in den Zügen ihres Patenonkels gesehen hatte, waren eisiger Kälte gewichen. »Ich erwarte nicht, dass du gutheißt, was ich getan habe, oder dass du es auch nur im Ansatz verstehst – aber du solltest mich gut genug kennen, Sarah, um zu wissen, dass ich kein Narr bin. Ich habe nicht um des puren Vergnügens willen gemordet, sondern für ein höheres Ziel. Und das Geheimnis von Thot ist der Schlüssel dazu.«
»Er will das Feuer des Re«, stieß Kamal hervor, der bislang betroffen geschwiegen hatte. »Mit den Mächten des Bösen hat er sich verbündet, auf den Spuren Meherets wandelt er!«
»Ach ja, unseren staubigen Freund hätte ich fast vergessen«, meinte Laydon leichthin. »Ich muss zugeben, dass er als Einziger nicht auf meiner Rechnung gestanden hat. Anfangs empfand ich seine Versuche, die Expedition zu sabotieren, als störend, aber dann wurde mir klar, dass er die Geschichte erst wirklich plausibel machte. Solange ihr ihn im Verdacht hattet, brauchte ich keine Entdeckung zu fürchten. Und was die Spuren Meherets angeht – unsere Ziele gehen weit über das hinaus, was die unglückliche Meheret einst wollte.«
»Wer seid ihr?«, wollte Sarah wissen. »Und was führt ihr tatsächlich im Schilde?«
»Schon die Tatsache, dass du fragst, zeigt mir, dass du nichts verstanden hast, mein Kind, und das ist sehr schade. Selten habe ich solch große Begabung und solche Naivität in einem Menschen vereint gefunden. Vielleicht einmal abgesehen von deinem Vater…«
»Ich habe dir bereits gesagt, dass du Vater
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