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Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Titel: Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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die Bürde abzunehmen, umklammerte es die Tasche mit eisernem Griff und begann verzweifelt zu wimmern.
    »Versuch nicht, sie ihr abzunehmen«, flüsterte Viora und schüttelte warnend den Kopf. »Da sind Ivars Schlachtermesser drin. Ich weiß nicht, woher sie die Kraft nimmt, sie zu schleppen, aber man kann sie nicht davon trennen – nimm bitte nicht an, ich hätte es nicht versucht.«
    Agella machte ein verwundertes Gesicht. »Aber wo ist Ivar?«
    Viora presste die Lippen aufeinander.
    »Tot?«, hauchte Agella bestürzt.
    Viora schüttelte den Kopf. »Nicht jetzt«, flüsterte sie eindringlich und warf einen schnellen Blick auf ihre Tochter. Also musste die Schmiedin sich gedulden, bis sie alle sicher in ihr Haus gebracht hatte.
    Im Kamin lag schon Holz für ein Feuer aufgeschichtet, und der Raum war tadellos sauber. Freilich kümmerte sich Agella nie selbst um ihre Hausarbeit, denn sie arbeitete den ganzen Tag und manchmal bis in die Nacht hinein in der Schmiede. Stattdessen nutzte sie das ausgeklügelte System von Tauschhandel, Abmachungen und Gefälligkeiten, welches das Leben der Handwerker im Heiligen Bezirk bestimmte. Die jüngste Tochter des Hundeführers, ein nettes sechzehnjähriges Mädchen, kam täglich zum Saubermachen und Feueranzünden, bevor die Schmiedin nach langer Arbeit hungrig und müde nach Hause zurückkehrte.
    Agella wohnte in einer der kleineren und einfachen Behausungen, aber es war behaglich bei ihr. Ein Korridor führte in den Wohnraum, der zugleich als Küche diente und eine großzügige Feuerstelle hatte. Vor dem Kamin standen eine hochlehnige Holzbank mit bunten Kissen darauf und in bequemer Nähe zu Kohlenkasten und Holzstoß ein Armlehnstuhl. Eine Lampe hing an einem Haken unter der niedrigen Decke, und auf den gescheuerten Dielen lagen Flickenteppiche. Es gab mehrere Schränke und Borde, und gegenüber der Feuerstelle befand sich ein stabiler Tisch mit Stühlen. Die verschiedenen Türen führten in das Schlafzimmer, in eine Spülküche und in die Vorratskammer.
    Agella zündete die Lampe an. Das Feuer war schnell entfacht, der Kupferkessel bereits gefüllt, sodass sie bald heißes Wasser haben würden. In diesem feuchtkalten Wetter unterhielt die Schmiedin fortwährend einen Topf mit Suppe, deren Zutaten sie schon so häufig wieder aufgefüllt hatte, dass das ursprüngliche Rezept nur noch blasse Erinnerung war. Sie schwenkte den Kessel am Haken über die Flammen und balancierte ihn auf die Seite der Kohlen.
    Viora hatte ihre Tochter zur Bank ans Feuer geführt, doch Felyss ließ sich nicht dazu bewegen, sich niederzulegen, sondern saß kerzengerade da und war bereit, bei dem geringsten Anzeichen der Bedrohung aufzuspringen und wegzulaufen, wie Agella mitleidvoll vermutete. Ihre Nichte wirkte, als wolle sie im nächsten Moment die Flucht ergreifen, nur dass sie immer noch mit einem Arm die schwere Werkzeugtasche umklammerte, und die würde sie nicht aufgeben.
    Ulias saß in sich zusammengesunken auf dem Lehnstuhl und flüsterte in einem fort mit belegter Stimme: »Ich konnte sie nicht aufhalten, ich konnte sie nicht aufhalten, ich konnte sie nicht aufhalten, ich konnte sie nicht aufhalten …« Agella überkam das Verlangen, ihm einen Schlag zu versetzen, doch sie beherrschte sich und wandte stattdessen ihre Aufmerksamkeit wieder Felyss zu, die in ihren inneren Qualen gefangen blieb und die Welt vergessen zu haben schien. Das Mädchen wirkte so verloren. Sie würde eine starke Familie und viel Unterstützung brauchen, bei Myrial, aber ein Vater, der sich selbst die Schuld gab und sich dafür auch noch bemitleidete, war keine Hilfe. Oh, Agella wollte ihm seine Trauer nicht nehmen, ihm keinen Vorwurf machen. Aber er hätte jetzt davon absehen müssen, um seiner Tochter eine Verlängerung ihrer Qual zu ersparen. Später wäre noch viel Zeit, um seinen Gefühlen nachzugeben, aber das sollte er in Abgeschiedenheit und mit seiner Frau tun.
    Ein schwacher Mensch, dachte die Schmiedin ein wenig verächtlich. Ich habe immer gewusst, dass Ulias schwach ist. Dann nahm sie sich zusammen, bevor ihre Gedanken auf ungewollte Bahnen gerieten. Er ist ein anständiger Lebensgefährte, ermahnte sie sich, und hat sich zu seiner Zeit alle Mühe gegeben, um gut für seine Familie zu sorgen. Allerdings hat die Gicht nicht nur an seinen Händen Schaden angerichtet, will mir scheinen. Bei Viora darf ich nicht den leisesten Verdacht aufkommen lassen, ich hätte an ihm etwas auszusetzen. Das hat sie schon

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