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Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Titel: Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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zur Gottheit verloren, sondern auch das Gefühl für die Stimmung des einfachen Volkes. Wenn die Meinung der Menschen in der Unterstadt etwas bedeutete, dann war wohl kein Hierarch je so unbeliebt gewesen. Hauptmann Blank indes stand nicht hinter dem Priesterkönig, sondern schien etwas im Schilde zu führen; Agella traute ihm nicht einmal so weit, wie sie ihn hätte schubsen können. Sie hatte das ungute Gefühl, dass die Ereignisse sich noch gehörig zuspitzen würden. Nur noch ein Tag bis zur Festnacht des Todes. »Dann geht der Ärger los – das wirst du noch sehen«, brummte sie. Eingedenk dieser bedrohlichen Entwicklung hatte sie die Gelegenheit, Scall in sichere Entfernung zum Heiligen Bezirk zu schaffen, sofort beim Schopf gepackt.
    Trotzdem habe ich Angst um ihn, dachte sie. Vielleicht hätte ich ihn selbst begleiten sollen. Was habe ich mir bloß dabei gedacht, ihn mit diesen Riesenpferden dort hinauf zu schicken? Eins davon hat gerade erst einen Menschen getötet, bei Myrial! Einen großen starken Mann, der im Umgang mit Pferden erfahren war. Und ich schicke den armen Jungen fort, einzig in der Obhut von Barsil, diesem Hurensohn. Von allen Leuten muss ich mir ausgerechnet Barsil aussuchen! Als ob der in einer schwierigen Lage zu irgendetwas nütze wäre. Wenn ich nur die Möglichkeit hätte herauszufinden, ob Scall gut angekommen ist.
    Die Dunkelheit brach schon herein, und das war noch nicht alles: Es fiel ein feiner, dichter Schnee.
    Es pochte an die Tür, und Agella fuhr vom Stuhl hoch. »Wer da? Was gibt’s?« Sie riss die Tür auf, und vor ihr stand der Wachsoldat der Gottesschwerter, der im Tunnel Dienst gehabt hatte, als Agella sich von Scall verabschiedete. »Geht es um Scall? Ist ihm etwas zugestoßen?«, fragte sie.
    Der Posten schaute sie an, als sei ihr gerade ein zweiter Kopf gewachsen. »Weiß rein gar nichts über irgendeinen Scall, Meisterin«, antwortete er achselzuckend. »Hab eine Nachricht für dich, vom Tor. Deine Schwester will reingelassen werden, will dich besuchen – oder jedenfalls eine Frau, die behauptet, sie wär deine Schwester. Sagt, sie ist in ziemlichen Schwierigkeiten, und braucht deine Hilfe.«
    Viora? Was für Schwierigkeiten mochten das sein? Und wie würde sie ihrer Schwester beibringen, dass sie ihren Sohn aus der Stadt geschickt hatte, einem unbekannten Schicksal entgegen? »Die Pest soll sie holen! Das hat mir gerade noch gefehlt!«
    Der Gang durch den Tunnel erschien Agella länger als gewöhnlich. Je weiter sie kam, desto unruhiger wurde sie. Was konnte geschehen sein? Waren sie ausgeraubt worden? Oder krank? Der Geißenhof war nicht gerade das beste Viertel, und in den armen Stadtteilen war man mittlerweile alles andere als sicher. Ihre Gegend war am schlimmsten von Krankheiten befallen, und was sie so von Scall gehört hatte, wenn er von seinen gelegentlichen Besuchen zurückkam, so konnte jeder von Glück sagen, wer dort vom Schwarzen Lungenfieber verschont blieb. Diebstahl und Plünderungen kamen alle Tage vor – obwohl dort kaum noch jemand etwas besaß, das zu stehlen sich lohnte. Hatte Viora sich vielleicht mit Ivar zerstritten, und er hatte sie hinausgeworfen? Der junge Schlachter verehrte seine Frau und behandelte sie immer, als wäre sie ein kostbarer Schatz, gegen andere Leute aber konnte er unberechenbar und gewalttätig sein. Andererseits würde er Felyss doch nicht dadurch bekümmern, dass er ihre Eltern auf die Straße setzte?
    Insgeheim war Agella froh, dass Ivar nicht in der kleinen Gruppe stand, die sich am Ende des Tunnels zusammendrängte. Ihre Erleichterung verwandelte sich in Bestürzung, als sie näher kam und die Lage erkannte. Die grob verschnürten Bündel, die sie bei sich trugen, wiesen sie unzweifelhaft als Flüchtlinge aus – aber es kam noch schlimmer. Ulias war ein gebrochener Mann. Viora war vollkommen verweint und durcheinander, und Felyss stand da mit geschwollenem Gesicht, voller Prellungen, zerzausten Haaren, das Kleid blutig und zerrissen …
    Einen Moment lang glaubte Agella sich in ihre Kindheit zurückversetzt, als die Feinde die Burg ihres Vaters plünderten. Sie töteten alle Männer und Knaben auf der Stelle, die Frauen, gleich welchen Alters, wurden in einer Orgie der Gewalt geschändet, dann schnitt man ihnen die Kehle durch … Als sie in Felyss’ leere Augen schaute, fragte sie sich, ob es für die damaligen Opfer nicht eine Gnade gewesen war, dass sie hernach getötet wurden.
    Bei diesem Gedanken angelangt,

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