Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial
klebrigen Kuchen aus Nüssen, Trockenfrüchten, Getreidekörnern und Honig.
Ein Feuer durften sie sich nicht anzünden, denn sie waren abhängig von der isolierenden Schneedecke auf dem Dach des Unterstands. Trotzdem wurde die Körperwärme der drei in der engen Höhle fühlbar, und Elion wurde zuversichtlicher, dass sie die Nacht überleben würden.
Nachdem Tormon für das Pferd und für sich gesorgt hatte, zollte er seiner Umgebung mehr Aufmerksamkeit. »Was ist das für ein Ding?«, fragte er und zeigte auf die Lichtquelle, deren Leuchten allmählich nachließ. Ich werde bald eine neue anbrechen müssen, dachte Elion, und bemerkte zugleich mit neuer Niedergeschlagenheit, dass sein Leidensgenosse nicht dumm war. Ich wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis Tormon anfing, unbequeme Fragen zu stellen. »Das ist ein Glimmer«, antwortete er. »Soweit ich weiß, werden sie aus dem Extrakt von Leuchtkäfern und ein paar Pflanzen oder so gemacht – aber frag mich nicht, wie.«
Tormon öffnete den Mund, als wolle er fragen. Du kommst nicht aus Callisiora, stimmt’s? Mit der Intuition eines Telepathen ahnte Elion ohnehin, was der Händler hatte sagen wollen. Er wusste nicht, was Tormon letztlich von der Frage abgehalten hatte, aber er war froh über den Aufschub. Elion log nur ungern.
Um von der Schwierigkeit des Augenblicks abzulenken, sah Tormon nach der Stute, die eine Ration Getreide aus Elions Futtersack bekommen und sich nun auf der dicken Schicht aus Kiefernzweigen niedergelegt hatte. Er klopfte ihr den Rücken, der jetzt trocken war und glänzte. »Was für eine hübsche Kleine!«, sagte er. »Sauber wie eine Katze und tapfer dazu. Ich habe sie bewundert, wie sie sich mit uns durch den Sturm gekämpft hat. Hat sich nicht ein Mal beklagt oder gesträubt.«
Der Mann hatte ganz klar den Verstand verloren, oder er sprach von einem anderen Pferd. Elion wollte schon Einwände erheben, da merkte er, dass Tormon nur kurz beim Sprechen innegehalten hatte.
»Das ist genau so ein Pferd, wie ich es später für Annas kaufen wollte. Schon mit fünf Jahren konnte sie auf jedem Tier reiten. Kanella hat es ihr beigebracht, praktisch bevor sie laufen konnte …« Er verstummte und verlor sich mit tränenglänzenden Augen in Erinnerungen.
Nach einer Weile fühlte Elion sich verleitet, ihm darin zu folgen. »Weißt du, ich habe es vorher gar nicht bemerkt, aber ihr Fell hat die gleiche rotbraune Farbe wie das Haar von Melnyth, und sie verstand sich auch auf Pferde …«
Während die Nacht weiter fortschritt und der Sturm tobte und heulte, teilten die beiden Männer ihre Trauer und erzählten sich Geschichten aus glücklicheren Tagen. Und gelegentlich hörte dabei keiner dem anderen zu, und niemanden schien es im Geringsten zu stören.
Veldans Lage war sowohl zermürbend als auch enttäuschend. Sie sah sich gezwungen, im Bett zu liegen und hilflos wie ein Kaninchen zu verstecken, während die Eindringlinge im Haus umherstreiften. Das war nicht hinnehmbar. Jedes Mal, wenn sie Stimmen oder Schritte hörte, hielt sie vor Anspannung den Atem an und überlegte, ob Toulac in Schwierigkeiten sei oder ob im nächsten Moment ihre Zimmertür aufflöge und – und was dann? Veldan erkannte plötzlich, dass sie schon wieder ihrer Neigung nachgab, der Fantasie freien Lauf zu lassen. In Wirklichkeit war sie überhaupt nicht schutzlos. Unter der Bettdecke fühlte sie die beruhigende Kälte zweier Klingen. Sie schloss die Faust um den Dolchgriff und schwelgte in einem bösartigen Lächeln, um ihr Selbstvertrauen zu stärken. »Hier gibt es nichts, womit ich nicht fertig werde«, versicherte sie sich.
Sie war gewissermaßen verkleidet, denn sie trug über ihren eigenen Sachen eine landesübliche Leinenhose sowie Hemd und Weste aus Toulacs Truhe, wobei sie darauf geachtet hatte, es mit der Ausstaffierung nicht zu übertreiben. Mangelnde Bewegungsfreiheit war das Letzte, was sie in einem Kampf gebrauchen konnte. Außerdem wurde ihr darin zu warm unter den Bettdecken, wenngleich es im Zimmer eisig war, seit Kaz das Fenster zerbrochen hatte. Aber das war noch das kleinste Übel.
Während sie auf jedes Geräusch im Haus horchte, nahm sie mit dem Drachen in der Scheune Verbindung auf.
»Kaz, ist alles in Ordnung?«
»Nein, es ist verdammt noch mal gar nichts in Ordnung«, kam sofort die bissige Antwort. »Deine Freundin, die alte Schreckschraube, hat ihr elendes Pferd in der Scheune angebunden – und gesagt, ich soll darauf
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