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Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Titel: Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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sie in das Zimmer.
    Zu sehen war nur ein dünner Lichtschein, der unter der Tür hindurch in den Raum drang, und die schwachen Umrisse eines Menschen, der zusammengekauert auf dem Bett lag. Er zeigte mit keiner Regung, dass er ihre Gegenwart bemerkt hätte, und sie schloss daraus, dass er ihr den Rücken zukehrte und durch das Pfeifen des Windes kein Geräusch gehört hatte. Veldan schlich auf ihn zu, dann presste sie ihm eine Hand auf den Mund. »Keinen Mucks!«, zischte sie ihm ins Ohr.
     
    Freudige Erleichterung, ungläubiges Erstaunen – eine Flut der Gefühle überrollte Aethon, als er Veldans Stimme vernahm. Seine Lebensgeister, die schon ganz am Boden gewesen waren, wurden plötzlich munter. Durch ihr wunderbares Überleben brachte sie neue Hoffnung mit. Er wollte sich umdrehen, sie ansehen, doch dann merkte er, dass sein Gastkörper sich gegen Veldans Hand wehrte, dass er trat und schlug, soweit seine Fesseln es zuließen.
    »Hör auf damit, du Dummkopf«, sagte Veldan leise und eindringlich. »Du schadest dir nur selbst! Liege still und lass mich dir helfen.«
    »Ich bin’s. Aethon. Ich bin in diesem Menschen gefangen«, wollte der Drache sagen, aber er konnte es nicht. Mit Entsetzen begriff er das Ausmaß seiner Zwangslage. Dies könnte die einzige Gelegenheit sein, Veldan mitzuteilen, was geschehen war, und er war zu keiner Gedankenübertragung fähig, noch konnte er auf menschliche Weise mit ihr sprechen. Sein Wirt behielt alle Körperfunktionen in seiner Gewalt, und selbst wenn Aethon ihn hätte überwältigen können, wusste er doch nicht im mindesten, wie menschliche Sprache gebildet und vorgetragen wurde. Soweit ihm bekannt war, bliesen sie die Atemluft aus dem Körper und erzeugten dabei Vibrationen, aber wie man das anstellte und wie die vielen Wörter gebildet werden sollten, konnte er sich nicht vorstellen.
    Dafür würde er seinen menschlichen Gegenpart brauchen.
    Er würde also ungeachtet des Risikos der geistigen Kontamination mit ihm kommunizieren müssen.
     
    Als Zavahl plötzlich eine Hand auf dem Mund spürte, wurde er von Angst und Entsetzen übermannt. Allzu schlimm waren die unaussprechlichen Vorgänge des Tages für ihn gewesen, und Gefahr für Leib und Leben war ihm gänzlich unvertraut. Als Hierarch war er zwanzig Jahre lang vor solchen Angriffen sicher gewesen – jedenfalls seit dem unbetrauerten Tod von Malacht, der ihn erzogen hatte und der ein tyrannischer und grausamer Mensch gewesen war. Zavahl fühlte dieselbe Angst und Hilflosigkeit wie damals, und das ließ eine Erinnerung in ihm aufsteigen. Die Jahre des Erwachsenseins fielen plötzlich von ihm ab, und er fand sich in eine alptraumhafte Zeit zurückversetzt. Es war Malacht, der sich über sein Bett beugte, und die kleine, starke Frauenhand verwandelte sich in die faltige, kalte Klaue des alten Priesters. Es gab kein Entrinnen. Hatte es nie gegeben. Zavahl wand und stemmte sich dagegen, jenseits aller Vernunft, und ohne die Hand auf seinem Mund hätte er laut geschrien.
    Dann, als ob sich die Tür in einen dunklen Raum öffnete, blitzte ein anderes Bild in ihm auf – eine Hand, seine eigene, auf dem Rücken des alten Malacht. Ein heftiger Stoß, und die gebeugte, schwarz gewandete Gestalt des Priesters verschwand außer Sicht. Schreie und dumpfes Poltern – das Knacken brechender Knochen. Eine leere Treppe, ein wenig Blut auf den Stufen, ein tiefer, finsterer Treppenschacht.
    In Zavahl wurde es still. Obwohl er sich noch entsetzlich fürchtete, war die blinde Qual verschwunden.
    Malachts Tod war kein Unfall. Ich habe ihn gewollt. Ich habe ihn getötet, damit ich sicher leben konnte, und das habe ich getan – bis heute.
    Der Hierarch schob diese Erinnerung weit fort und begrub sie in der Tiefe seiner Seele. Ober Jahre hinweg hatte er sich eingeredet, dass Malachts Tod nur die Folge seines Sturzes und er selbst gar nicht in der Nähe gewesen sei. Aber Myrial hatte es gewusst. Und Myrial, so schien es, hatte dies nicht verziehen. Mit den Ereignissen, die zu dieser Nacht geführt hatten, kam die Vergeltung.
    Zavahl schwirrte der Kopf. Noch immer wehrte er sich gegen die Hand. »Hör auf damit, du Dummkopf!«, sagte eine Stimme. »Du schadest dir nur selbst. Liege still und lass mich dir helfen.« Zu seinem großen Erstaunen war es eine weibliche Stimme, und mehr noch: Er gehorchte ihrem ruhigen, respekteinflößenden Ton. Als er sich entspannte, ließ der Druck der Hand nach, und die Stimme flüsterte wieder: »Bevor du

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