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Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Titel: Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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sinken, und alles Ungestüme an ihm war verschwunden.
    »Lass mich die Fragen stellen«, bat der andere ruhig. »Du solltest dir das nicht abzwingen, Tormon. Ich werde die Wahrheit aus ihm herausbekommen, das verspreche ich.«
    Es folgte eine lange Stille. Scall hielt den Atem an. Dann schüttelte der Händler die Hand des anderen ab und zog sich zurück. Bei den Tieren ließ er sich nieder. »Also gut, Elion. Bring ihn zum Reden, wenn du kannst. Ich kann nicht einmal seinen Anblick ertragen. Aber lass ihn als erstes Kanellas Weste ausziehen«, bat er mit tränenerstickter Stimme. »Nimm sie ihm weg.«
    »Das mache ich.« Ein neues Gesicht tauchte über Scall auf, ein jüngerer Mann, bärtig und dunkelhaarig. Scall schrak zurück, in Erwartung dessen, was ihm nun angetan würde. Ihm war schwindelig, seine Wangen brannten, die Lippen waren aufgeplatzt, die Nase blutete und Blut lief ihm die Kehle hinab. Er wusste auch, dass er schniefte wie ein Kind, aber er konnte nicht damit aufhören. Plötzlich schlugen die Schrecken des Tages über ihm zusammen, und er brach in lautes Schluchzen aus.
    »Ach du große dampfende Jauchegrube!«, gab der Mann mit einem langen Seufzer von sich. »Das hat uns noch gefehlt!« Und eine feste, freundliche Hand wischte mit einem feuchten Lappen über Scalls Gesicht. »Wie schmutzig du bist«, sagte der Mann leise, »Erde, Blut, Rotz und Tränen. Alles, was recht ist, junger Mann, deine eigene Mutter würde dich so nicht wiedererkennen.« Dann schob er einen Arm unter seine Schultern und richtete ihn auf, dass er zu sitzen kam. »Das hätten wir. So ist es besser. Mit Nasenbluten darfst du nicht flach liegen bleiben, daran kann man ersticken.«
    »Wenn man Glück hat«, warf der Händler in hartem Ton ein. »Ich dachte, du wolltest die Wahrheit aus ihm herausbringen.«
    »Alles zu seiner Zeit«, war die Antwort, und geschickte Hände knöpften Scall die verwünschte Weste auf – die ihn überhaupt erst in diese Schwierigkeiten gebracht hatte – und zogen ihm das feuchte, schmutzstarrende Ding vom Leib. Scall freute sich inbrünstig, es endlich loszuwerden, aber sofort begann er wieder zu zittern. Eine Decke wurde ihm um die Schultern gelegt, und er schmiegte sich dankbar in die warme Wolle. Er schnäuzte sich die Nase am Hemdsärmel und versuchte ruhig und tief zu atmen. Am Ende erlangte er die Beherrschung wieder und konnte mit dem beschämenden Weinen aufhören.
    Dann verließ sein Retter ohne ein Wort die Höhle und ließ ihn mit dem furchtbaren Händler allein. Scall spürte die Klauen der Angst. Doch ein paar Augenblicke später kam der Mann zurück, mit einem Bündel voll Schnee, das er Scall in die Hand drückte. »Hier. Drück ihn dir ans Gesicht, bis er geschmolzen ist – aber mach dich dabei nicht nass. Die Kälte stillt das Nasenbluten und lässt die Schwellungen abklingen.«
    Er lehnte sich zurück, anscheinend gewillt, mit dem Verhör zu warten, bis es Scall besser ginge. Der kalte Schnee dämpfte auch die Schmerzen, und Scall vermochte ein wenig nachzudenken. Aber was sollte er sagen? Dem jüngeren Mann die unrühmliche Geschichte zu erklären fiel ihm leichter; wie man mit Trauer und Tod umging, darin besaß er keine Erfahrung. Scall fürchtete sich davor, was der Händler mit ihm anstellen würde, wenn er erfuhr, dass er, Scall, aus dem Tod seiner Lebensgefährtin einen Vorteil gezogen hatte, indem er ihre Weste bekam. Und noch schlimmer: Wie sagte man einem Mann, dass man die Leiche seiner Frau gesehen hatte?
    Auf keinen Fall wollte er, dass der Mann weiter aus ihm herausprügelte, was er wissen wollte. Das ist Myrials Strafe, dachte er mit Schaudern. Er hatte sich auf einen Handel eingelassen, von dem er wusste, wie falsch und unrecht er war, nur um das Eigentum einer Toten zu erlangen, auf das er keinen Anspruch besaß. Nun musste er dafür bezahlen. Dieser Verantwortung konnte Scall sich nicht entziehen – und wenn er es versuchte, würde es sehr schmerzvoll für ihn werden. Immerhin hatte er dem Mann die Pferde zurückgebracht. Das musste etwas zählen, wenn es so weit war, die Hiebe zu bemessen?
     
    Elion betrachtete den Jungen, während er darauf wartete, dass die Schneepackung auftaute. Ein magerer, schmutziger Junge, der vor Kälte und Angst zitterte und dessen Gesicht grün und blau geschlagen war: Der Wissenshüter konnte sich des Mitleids kaum erwehren.
    *Mach dich nicht lächerlich. Der Bursche ist bestenfalls ein Dieb. Wie anders könnte es sein, wenn er

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