Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial
Dieser elende Mensch käme ohne meine Hilfe nicht einmal hier herauf, und was kann ein dummer Luftgeist, was ich nicht könnte?
Es dauerte nicht lange, bis seine Nase ihm sagte, dass er auf dem richtigen Weg war. Speck!, sprang es ihm durch den Kopf. Fleisch und Käse … Wo bei allen Wundern dieser Welt sind wir hier eigentlich? Nach einer Weile gabelte sich der Gang, die rechte Abzweigung führte aufwärts, die linke abwärts. Von unten kamen durchweg gute Gerüche: Kräuter, Gewürze, Käse, Wurzelgemüse und Früchte. Aber was aus dem oberen Tunnel herauswehte, ließ ihm das Wasser im Maul zusammenfließen: eine Vielfalt an Fleischdüften. Er musste sehr viel Selbstbeherrschung aufbringen, um sich von dem Festmahl abzuwenden und den anderen Weg zu wählen. Doch er war für Veldan auf die Jagd gegangen, und das Letzte, was seine Partnerin jetzt brauchte, war rohes Fleisch.
Nach ein paar hundert Schritten öffnete sich der Gang zu einer Höhle. Sie war immens groß und höher, als Kazairls nächtliche Sehkraft reichte. Doch was kümmerte ihn die Höhlendecke? Einen Augenblick stockte er vor Verblüffung, dann brach er in fiebernde Hast aus. Nahrung stapelte sich, wohin er auch blickte. Krüge mit Butter und Honig, Fässer voll Mehl, säckeweise Gemüse, Kisten mit runzligen Äpfeln, große gelbe Käseräder und noch viel mehr, sehr viel mehr. In einer Ecke fand er einen Sack mit getrockneten Kräutern, die so rochen wie der schwarze Tee, den Toulac gern kochte, und beschloss, ihn ebenfalls mitzunehmen. Er war sehr zufrieden mit sich. Warte nur, bis die alte Streitaxt das gesehen hat, dachte er. Er wählte außerdem einen Beutel Rosinen, einen Krug Honig und einen großen Käse aus, alles was einem Menschen schnell seine Kraft zurückgibt. Dann hielt er inne und kam sich reichlich dumm vor. Er fragte sich, wie er die ganze Beute zu Veldan schaffen sollte. Ihm fehlten diese nützlichen Daumen, wie die Menschen sie hatten.
Kazairl sah sich um in der Hoffnung auf eine Inspiration. »Na komm schon«, murmelte er, »steh hier nicht rum und verschwende kostbare Zeit. Veldan braucht ihr Futter jetzt!« Er dachte einen Moment scharf nach, dann fiel ihm die Lösung ein. Er suchte sich ein Mehlfass aus, schob seine Krallen darunter, bis es sich anheben ließ, nahm es ungelenk in die Klaue, kippte das Mehl aus – und machte einen Satz rückwärts, explodierte in mehrere gewaltige Nieser, die ein paar ungezielte Feuerstöße mit sich brachten, mit denen er mehrere Käse schmolz sowie zwei Haufen Möhren und einen Sack Bohnen zu Asche verbrannte. »Na, so eine dampfende Zentaurenscheiße!«, fluchte er. »So ein blöder pulverisierter Grassamen! Nur Menschen kann es einfallen, etwas so Lächerliches zu fressen!«
Der Drache verbrachte eine nervenaufreibende Weile damit, das erbeutete Futter mit Klauen und Zähnen in das Fass zu jonglieren, es gelang ihm sogar, dabei keinen weiteren Schaden anzurichten, wenn man über die Zahnabdrücke im Käse einmal hinwegsieht. Im letzten Moment entdeckte er ein Regal mit staubigen Flaschen. Wein? Er wusste, dass die Menschen, einschließlich Veldan, dieses scheußliche Zeug mochten. Also fügte er seinen Vorräten eine Flasche hinzu. Er nahm das Fass fein zwischen die Zähne und trat den Rückweg an.
Veldan erwachte, als eine harte Schnauze sich in ihre Schulter bohrte und ihr einen heißen, stinkenden Atem ins Gesicht blies. »Kaz! Igitt!«, protestierte sie schläfrig. »Das ist ja widerlich. Was hast du gefressen?«
Der Drache sah sie mit großen Augen unschuldig an. »Ach das. Äh – ich hab noch einen Happen zu mir genommen, vorhin in Toulacs Haus. Heheh.«
In Veldans Kopf entstand langsam ein Bild von zwei Soldaten im Schneegestöber, die vom Weg weggeschnappt und in einen dunklen Wald geschleift werden. »Oh, Kaz! Also wirklich!«, schimpfte sie. »Wie oft haben wir schon darüber gesprochen? Ich weiß nicht, was Cergorn sagen wird, wenn er es jemals herausfindet. Schon der Verdacht, dass du Menschen frisst, würde genügen, und wir wären in ernsten Schwierigkeiten!«
Kaz neigte den Kopf zur Seite, leckte sich das Maul und zeigte ein spöttisches Drachengrinsen. »Och, Boss. So schlimm ist das nicht. Fleisch ist Fleisch, wenn man’s recht bedenkt – und du weißt, dass ich niemals unsere Freunde fressen würde. Das wäre tatsächlich eine widerliche Angewohnheit! Außerdem war es ein Notfall. Wir befanden uns in einer gefährlichen Lage, und ich musste mit allem fertig
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