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Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Titel: Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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gewonnen. Dann war sie Amaurn die Treppe hinunter gefolgt, um einen Blick auf sein Opfer werfen zu können, und war erschrocken.
    Der arme Mensch sah äußerst mitgenommenen aus. War dieses hinfällige Wrack die einzige körperliche Hülle, die Aethon für seinen Zweck hatte finden können? Ob er den nächsten Abend überhaupt noch erleben würde? Andererseits – wenn Amaurn den Hierarchen beim nächsten Sonnenuntergang als Opfer brauchte, um seine Intrigen voranzutreiben, dann würde er mit Gewissheit dafür sorgen, dass der Mann bis dahin am Leben blieb, und wenn er das eigene Blut dafür hergeben müsste. Thirishri tröstete sich mit diesem Gedanken.
    Es ist wirklich ein Jammer, dass Amaurn dermaßen fehlgeleitet ist. Er hätte ein sehr guter Archimandrit werden können! Thirishri erschrak bis ins Innerste. Was in Äolus’ Namen ist nur über mich gekommen? Halte ich es etwa für gut, wenn ein unberechenbarer und gerissener Mann, der zudem eine so bezwingende Ausstrahlungskraft besitzt, im Schattenbund das Sagen hat? Habe ich denn den Verstand verloren? Und doch war für einen Augenblick die Vorstellung sehr verlockend gewesen. Sie war froh, als sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Renegaten und seinem Opfer zuwenden musste.
    Doch sogleich begriff sie bestürzt, dass Amaurn die Anwesenheit des Drachen schon erraten hatte. Verflixt und zugenäht! Das bedeutet, dass er seinen Gefangenen umso sorgfältiger bewachen wird – und sofern er vermutet, dass der Drache ihn erkannt hat, ist er erst recht gezwungen, Zavahl zu töten.
    Einen Augenblick lang war sie in wilder Panik bereit, ihn auf der Stelle zu töten – aber damit hätte sie auch den Gefangenen getötet und mit ihm Aethon. Ihr Verstand begann wie rasend zu arbeiten. Wäre es möglich, ein Ablenkungsmanöver zu inszenieren, ohne dass sie sich selbst preisgab?
    Zu ihrer großen Erleichterung wurde die Situation von einem anderen Menschen gerettet. Der Sergeant betrat den Raum. »Herr? Du hast befohlen, dir Bescheid zu geben, sobald wir aufbrechen können.«
    Der Hauptmann beachtete ihn kaum. »Ja, ja – gleich«, sagte er ungeduldig.
    Der Sergeant schluckte und blieb beharrlich. »Ich bitte um Verzeihung, Herr. Wir wissen nicht, wie lange es windstill bleibt. Wenn du rechtzeitig zurück sein willst, um das Große Opfer vorzubereiten, dann wäre es ratsam, sofort zu gehen.«
    Thirishri sah in Amaurns Augen den Ärger aufflammen und wappnete sich gegen einen Wutausbruch – aber dann antwortete er ganz ruhig: »Gut, Sergeant. Es wäre unvernünftig, den Rat eines Mannes zu missachten, der in den Bergen geboren wurde. Wir werden also den Rückweg antreten, solange es noch geht.«
    Gegen ihren Willen sah sie sich beeindruckt. Er musste ein guter Anführer sein, da er die Erfahrungen seiner Männer berücksichtigen und einen Rat von ihnen annehmen konnte – besonders wenn dieser seinen Wünschen zuwiderlief. Aber als der Sergeant den Raum verlassen hatte, machte Amaurn ihre Anerkennung sogleich zunichte. »Also gut, Drache«, sagte er, »für diesmal bist du verschont. Aber denke daran, während wir zur Stadt zurückreisen: Die Befragung ist nur aufgehoben. Mir steht der ganze Tag bis zum Sonnenuntergang zur Verfügung, um die Antworten, die ich haben will, aus dir herauszupressen.« Er blickte mit einem unfrohen Lächeln auf den Gefangenen herab. »Steh auf, Hierarch. Du kannst ebenso gut mit mir kooperieren. Dein Opfer wird nicht vergebens sein, denn wenn ich erst einmal deinen Platz als Herrscher von Callisiora eingenommen habe – als die Macht hinter der Hierarchin Gilarra, versteht sich, obgleich auch das sich ändern kann –, wird das Reich viel besser gedeihen, als es unter deiner Herrschaft je der Fall gewesen ist. Hier habe ich etwas, das für unser bedrängtes Land ganz entscheidend sein wird …«
    Thirishri hätte jetzt die Ohren gespitzt, wenn sie welche gehabt hätte. Was hatte Amaurn in der Hand? Über seine Klugheit und Durchtriebenheit konnte kein Zweifel bestehen. Hatte er etwa die Ursache für den Zerfall der Schleierwand herausgefunden? Ratlos und äußerst gespannt, schwebte Thirishri näher heran.
    Er zog einen flachen, glänzenden Gegenstand aus der Tasche, der gerade in seine Handfläche passte. Der Luftgeist verspürte eine drängende Neugier. Etwas, das ganz entscheidend sein wird, hatte er gesagt. Der Renegat war so schlau und listig wie eine alte Ratte – aber wie könnte er Erfolg haben, wo der Schattenbund versagte?
    Amaurn

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