Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial
geht’s gut – jedenfalls sofern du mich nicht wieder halb bewusstlos schlägst. Kaz hat mich geweckt, weil er es bei dir nicht geschafft hat. Er war deswegen besorgt. Wie geht es dir?«
Toulac rieb sich den Nacken und verwünschte sich für ihre Dummheit, mit dem Kopf auf der Kamineinfassung zu schlafen. »Mir fehlt nichts, was ein Krug Whiskey und ein zwanzigjähriger Kerl nicht kurieren könnten«, antwortete sie mit einem anzüglichen Grinsen, und sie brachen in Gelächter aus.
»Das ist allerdings eine Medizin, die ich schon lange nicht mehr eingenommen habe …«, meinte Veldan, und ihr Lachen erstarb.
Toulac starrte sie an. »Man muss wahrlich kein Gedankenleser sein, um zu wissen, dass du schon wieder an diese verdammte Narbe denkst, du dummes Mädel! Ich habe es dir schon einmal gesagt – obwohl es überhaupt nichts ausmacht –, und um es dir zu beweisen, werde ich dich in die Stadt bringen, wenn dieser ganze Mist hier vorbei ist, und dann sorge ich dafür, dass es dir einer anständig besorgt!«
»Wenn dir das gelingt, ohne einen dafür bezahlen zu müssen!«, erwiderte Veldan voll Bitterkeit. »Dann allerdings bin ich bereit zu verzeihen, dass du deine alte Nase in meine Angelegenheiten gesteckt hast.«
»Lass gefälligst das ›alt‹ weg, wenn du über meine Nase redest«, antwortete Toulac und zeigte mit dem Finger auf sie. »Und eines Tages, mein Mädchen, werde ich dir deine Worte noch zu fressen geben.«
Veldan machte eine unanständige Geste. »Und in der Zwischenzeit friss das hier.« Damit zog sie sich den Hemdsärmel bis über die Finger und nahm die Pfanne mit dem Speck vom Feuer.
Toulac spießte eine Scheibe mit ihrem Messer auf und balancierte sie so lange, bis sie genügend abgekühlt war. »Wie ich sehe, hast du die Lebensmittel schon gefunden«, meinte sie grinsend.
»Kaz hat sie gefunden«, berichtigte Veldan mit vollem Mund. »Danach hat er mich geweckt. Er hat sich daran erinnert, dass du irgendetwas erwähnt hast, hier oben gebe es in rauen Mengen zu essen, also ging er auf Erkundung.« Ihr Gesicht hellte sich ein wenig auf. »Toulac, es ist wundervoll! Er hat Höhlen mit so vielen Esswaren gefunden, dass man davon ein paar Dörfer ernähren könnte! Hier« – sie drückte Toulac einen Becher mit starkem, schwarzem Tee in die Hand – »der wird dir schmecken.«
»Das heißt also, unser großer Freund befindet sich gerade in den oberen Höhlen«, merkte Toulac trocken an.
»Wie hast du das nur erraten?« Veldan gluckste. »Er lässt sich Zeit und sucht sich nur die besten Fleischstücke aus. Er sagt, da oben sei alles gefroren – ist das wahr?«
Toulac nickte. »Deshalb lagern sie es so weit oben. Die Höhlen liegen das ganze Jahr über oberhalb der Schneegrenze, und da drinnen ist es immer mächtig kalt. Auch sehr trocken. Sie können das Fleisch erstaunlich lange frisch halten.«
Veldan nickte. »Kaz hat irgendwas gebrummt, von wegen er habe sein Feuer zum ersten Mal dazu benutzt, um sich sein Abendessen aufzutauen. Jedenfalls habe ich ihm gesagt, er soll fressen, bevor er zu uns zurückkommt. Feuerdrachen neigen nämlich dazu, ganz unordentlich zu fressen.«
Toulac zog sich eine weitere Speckscheibe aus der Pfanne. »Da ist er heute nicht der Einzige«, sagte sie und wischte sich mit dem Hemdzipfel das Fett vom Kinn.
»Wie hast du diese Höhlen eigentlich gefunden?«, fragte Veldan.
»Nun ja … außer der Größe des Hierarchenpimmels sind diese Höhlen das bestgehütete Geheimnis in Tiarond – und der Grund dafür, dass der Hierarch und die Seinen im Vergleich zum gemeinen Volk so wohlgenährt aussehen. Der Heilige Bezirk lebt nämlich von den Vorräten in den Höhlen, während alle anderen hungern. Jedes Jahr – außer in diesem – zahlen alle Bauern, Jäger und Fischer in Callisiora an den Hierarchen den Zehnten, und nie scheint sich einer zu wundern, wohin das ganze Essenszeug geht, und ich selbst habe auch nie darüber nachgedacht. Aber vor Jahren war ich Soldatin bei den Schwertern Gottes. Als ich etwa in deinem Alter war, wurde ich zu den Wachen der Zehnthöhlen befördert. Sie sind nur wenige, und sie tun nichts anderes, als Wache schieben, eine wirklich leichte Arbeit. Sie müssen aber ausgefeilte Eide der Geheimhaltung schwören. Man hat die Wachen nicht darüber im Zweifel gelassen, dass sie – und ihre Familien – verschiedene Teile ihrer Anatomie verlieren würden, wenn auch nur ein Wort über die Existenz der Höhlen herauskäme. Das hier ist
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