Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial
Zavahl her«, antwortete Galveron über die Schulter und lief, um die restlichen Soldaten zu befehligen.
Das Volk wälzte sich die niedrigen Stufen zum Tempel hinauf und drängte unaufhaltsam hinein. Gilarra und vier Soldaten schleusten die Menge stetig durch die Enge in den Tempel, wobei es zu verhindern galt, dass die Vordersten niedergetrampelt würden. Die übrigen Soldaten verschossen ihre Armbrustbolzen auf die Ungeheuer.
Währenddessen bahnte sich Galveron noch einmal einen Weg über den Platz, um den armen Seelen zu helfen, die den Angriffen wehrlos ausgesetzt waren, doch für viele Tiarondianer kam schon jede Hilfe zu spät. Zahllose Tote lagen mit zerrissener Kehle und aufgeschlitztem Bauch da. Der Boden war glitschig. Die Bestien hatten wahllos Alt und Jung, Mann und Frau getötet.
Galveron übermannte ein rasender Zorn. Mit dem Schwert in der Hand suchte er den Feind, erschlug jeden, der sich auf seiner Beute niedergelassen hatte, fällte sie einen nach dem anderen, dass sich ihr stinkendes schwarzes Blut dampfend mit dem ihrer Opfer mischte. Doch allzu bald sah er sich einem neuen Schwarm gegenüber, der vom Himmel herabregnete, und er war gezwungen, sich zurückzuziehen. Der Platz leerte sich langsam. Viele hatten inzwischen im Tempel Schutz gefunden, aber noch mehr Menschen waren umgekommen. Galveron musste nun mit ein paar Soldaten gegen eine Übermacht das Rückzugsgefecht erledigen.
Plötzlich hörte er Agellas Stimme aus der Menge heraus. Ruhig und bestimmt, laut und klar setzte sie sich gegen Gezeter und Geschrei durch. »Du da, hör auf zu stoßen! Du wirst dadurch nicht schneller hineingelangen, du Dummkopf. Kannst du nicht begreifen, dass da vorne alles verstopft ist? Bleibt zusammen, Leute – es sind vereinzelte Nachzügler, die sie sich jetzt holen …«
Galveron reckte den Kopf über die Menge und entdeckte die Schmiedin, die mit dem Schwert kampfbereit am Rand stand, und bei ihr befand sich, zu seiner Überraschung, die Familie, die er vor Seriemas Schindertrupp gerettet hatte. Warum hatten sie die Stadt nicht verlassen, wie sie gesagt hatten? Dann fiel ihm ein, dass die Frau Agellas Schwester war. Also hatten sie das Gesetz missachtet und waren zur Schwester gegangen – nachdem sie ihm und seinen Soldaten ausgewichen waren. Nun standen sie unter den letzten Schutzsuchenden. Die Eltern stützten die Tochter, die vor Entsetzen starr war, und zogen sie mit sich, so gut es ging, während Agella ihnen den Rücken deckte und mit dem Schwert plumpe, aber kräftige Streiche versetzte.
Eine der scheußlichen Bestien stürzte mit gebleckten, bluttriefenden Fängen auf Galveron herab, die langen Klauen nach ihm ausgestreckt. Blitzschnell schlug das Biest zu, und Galveron entfuhr ein Schmerzensschrei, als es ihm das Gesicht aufriss und dabei nur knapp die Augen verfehlte. Dann stieß er sein Schwert in das Flugungeheuer hinein und blickte nach dem nächsten Angreifer aus. Bei Myrial, das Viech war schnell! Er hatte üble Schnitte an Armen und Schultern, wo die Krallen sein Kettenhemd durchdrungen hatten. Sie waren nicht tief, aber sie brannten wie Feuer, und ihm kam langsam die Befürchtung, dass die Krallen irgendein Gift absonderten.
Auch die letzten Unglücklichen, die es noch nicht geschafft hatten, sich in den Tempel zu drängen, wurden fortwährend angegriffen. Die Ungeheuer hatten bereits einem bestialischen Gemetzel gefrönt, und trotzdem verfielen sie immer noch mehr in Raserei, als sie ihre letzten Opfer in die Sicherheit entkommen sahen.
Nur eine Hand voll Überlebender stand noch draußen vor der Tür, und Galveron tötete soeben eine Bestie, als Agella um Hilfe schrie. Galveron sprang herzu, doch zu spät. Ihre Schwester lag tot auf den Stufen. Die Schmiedin kämpfte um das Leben von Nichte und Schwager, doch als Ulias seine Lebensgefährtin tot sah, stieß er einen verzweifelten Schrei aus und, bevor Galveron es verhindern konnte, warf er sich den Klauen der Angreifer entgegen, um die anderen zu retten.
Galveron ergriff die Tochter und schob Agella vor sich her in den Tempel. Er war der Letzte, und die Bronzetüren schlossen sich bereits, da fühlte er noch Krallen an seiner Schulter reißen, und er warf sich vorwärts durch den enger werdenden Türspalt und landete fast in Gilarras Armen, die mit Bevron und dem verängstigten Aukil dort ausgeharrt hatte.
Mit lautem Dröhnen schloss sich das Portal. Die Überlebenden – die Einzigen der Stadt – befanden sich nun im
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