Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Titel: Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
Vom Netzwerk:
das Hausmädchen, der das Blut den Arm hinunterlief, ein Toter mit einem Schwert im Rücken …
    »Was zum Teufel …?«, murmelte Tormon. Behutsam löste er die Arme des Kindes von seinem Hals. »Komm, Liebes. Wir wollen dich jetzt anziehen -« In diesem Moment polterten Schritte die Treppe hinauf, und Scall schrie um Hilfe.
    Annas klammerte sich verängstigt an ihren Vater und vergrub das Gesicht an seiner Schulter. Mit dem Kind auf dem Arm rannte der Händler zur Tür und sah Scall auf dem Treppenabsatz ankommen. »Tormon«, rief er atemlos und schluchzend vor Angst, »da sind – schreckliche Wesen – überall!«
    Tormon packte den Jungen an der Schulter und rüttelte ihn. »Lass den Unsinn!«, brüllte er. »Du jagst Annas Angst ein!«
    Scall zeigte unter heftigem Kopfschütteln in das Schlafzimmer. »Schau nach – bitte! Guck doch aus dem Fenster!«
    Tormon ging quer durch das Zimmer ans Fenster und zog einen Vorhang beiseite. Er schaute auf die Esplanade hinunter und zu den hohen Felsen hinauf, die den Heiligen Bezirk einschlossen. Dort oben … Tormon hielt den Atem an. Ober der Schlucht kreiste eine dunkle Schar großer schwarzer Vögel, und sie stießen, manchmal einzeln, manchmal zu zweit auf die Menschenmenge hinab – und gleichzeitig begannen die Schreie. Tormon erbleichte. Diese Vögel griffen das Volk im Heiligen Bezirk an! »Großer Myrial!«, rief er aus. »Komm, Scall, wir müssen hier weg!«
    Scall war schon an der Tür und hielt eine Decke und einen voll gestopften Kissenbezug in die Höhe. »Ich habe die Sachen der Kleinen«, sagte er, und Tormon segnete ihn in Gedanken für seine Geistesgegenwart. Der Händler packte im Vorübergehen die Decke und wickelte Annas darin ein, während er dicht gefolgt von Scall den Korridor hinunterhastete.
    Ihm blieb nun keine Zeit mehr, um herauszufinden, was sich in Seriemas Zimmer ereignet hatte. Der Diener – Presvel hieß er, wie Tormon sich plötzlich entsann – zerrte die Leiche auf den Flur, und Seriema saß frisch angezogen auf dem Bett. Das blonde Mädchen wusch ihr das zerschundene Gesicht und sprach beruhigend auf sie ein.
    »Schnell!«, fuhr Tormon dazwischen. »Wir müssen hier raus!«
    Anstatt ihm Folge zu leisten, sprangen sie auf ihn zu, verlangten Erklärungen und redeten wild durcheinander. Dafür habe ich wahrlich keine Zeit, dachte er, ich muss meine Tochter in Sicherheit bringen. »Dann seht hinaus, verdammt!«, schrie er und ging mit energischen Schritten zum Fenster. Entsetzt fuhr er zurück. Eines dieser unheimlichen Wesen war soeben am Haus vorbei geflogen. Er hatte es aus der Nähe gesehen, die groteske Ähnlichkeit mit einem Menschen, den knochigen Schädel, die leichengraue Haut. Durch seine rasche Bewegung indes hatte Tormon den Blick des Ungeheuers auf sich gezogen. Es flog eine Kehre und hielt direkt auf ihn zu. In einem Splitterregen durchbrach es die Fensterscheibe.
     
    Die Stimmung der riesigen Menschenmenge, die die Not des Landes auf dem Tempelvorplatz versammelt hatte, hallte von den Felsen wider und schlug Gilarra, die aus der Basilika trat, mit unvermuteter Heftigkeit entgegen. Die lange Robe aus violetter Seide und der schwere ärmellose Überwurf, der dicht mit Silberfäden bestickt und mit Edelsteinen besetzt war, zerrten wie ein Gewicht an Gilarras Schultern, als wäre dies die Bürde ihres Amtes. Auch die kunstvoll mit Juwelen verzierte Kopfbedeckung aus Silber drückte schwer.
    Priester nahmen zu beiden Seiten Aufstellung, um sie zu flankieren. Das Große Opfer aber durfte nur ein einziger Myrialspriester persönlich vornehmen: der Suffragan. Die anderen waren nicht berufen, an der Tötung ihres Obersten Priesters teilzunehmen. Stattdessen wurde Gilarra von Gottesschwertern begleitet: links von ihr Galveron in skeptischer, ablehnender Haltung und zu ihrer Rechten die auffallende Erscheinung des höhnischen und allzeit wachsamen Hauptmann Blank. Doch Gilarra hatte für beide keine Augen. Vor ihr befand sich der mannshohe und doppelt so breite Scheiterhaufen. Er verkörperte ihre ganze Welt. Aus der Mitte ragte der Pfahl, an den der alte Hierarch festgebunden war, bekleidet mit dem langen weißen Opfergewand.
    Priester und Soldaten hatten vor dem Tempeleingang ein Podest errichtet, sodass die Hierarchin hoch über der Menge erscheinen konnte, wo das große Feuer sie weder in den Schatten stellen noch verbergen konnte. Gilarra musste nun die wackligen Stufen hinaufsteigen, doch sie sah sich zittern und zögern. Ihr

Weitere Kostenlose Bücher