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Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Titel: Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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weltlichen Angelegenheiten. Nach Denkungsart der alten Kriegerin sehr zu bedauern war der Umstand, dass die gegenwärtige Auslegung von Myrials Willen alles zu verdammen schien, was auch nur den leisesten Anschein von Vergnüglichkeit zeigte. So ist es keineswegs immer gewesen, dachte Toulac grimmig und entsann sich des früheren Hierarchen. Das war Istella gewesen, die Großmutter von Gilarra, der jetzigen Suffraganin. »Ach, Istella!« seufzte Toulac wehmütig. Diese Frau hatte an die Lebenslust geglaubt! Und ihre Enkelin erwies sich als ihrer würdig und trat in ihre Fußstapfen. Wäre doch nur sie zuerst geboren worden, anstelle dieses scheinheiligen, aufgeblasenen, sauertöpfischen Schwan …
    »Meisterin, warum tust du das immer wieder! Kein Wunder, dass dieser endlose Regen auf uns niedergeht. Myrial bestraft uns alle für die Sünden, die von deinesgleichen -«
    »Jetzt reicht’s!«, zischte Toulac. Der beschwerliche Alltag, ihre Niedergeschlagenheit, die Eintönigkeit ihres Lebens – plötzlich brach alles über ihr herein. Dieses frömmelnde Muskelpaket von einem Idioten war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Sie löste die letzte Kette von dem Baumstamm und warf sie beiseite. »Robal, du bist entlassen. Du hast dich soeben um Lohn und Brot gepredigt.« Sie kramte aus der anderen Manteltasche eine Hand voll Kupfer- und Silbermünzen hervor. »Hier – ich kann mich jetzt nicht mit dem Zählen aufhalten. Nimm es und geh mir aus den Augen!«
    Fast hatte sie Mitleid mit ihm, als sie sein erschrockenes Gesicht sah. Die Chancen, dass jemand wie Robal in Tiarond eine Beschäftigung fand, lagen ungefähr zwischen kaum und gar nicht. Trotzdem verhärtete sich Toulac gegen ihn. Denn wenn die Sägemühle schon ihr Bestes tat, um sie zu Tode zu langweilen, so war Robal derjenige, der noch dazu die Nägel in den Sarg schlug. Egal, was aus meinem alten Lebensdrang geworden ist, dachte sie, hier heißt es er oder ich, Toulac, altes Mädchen! Du hast die Wahl.
    Und damit drehte sie sich zu dem niedergeschmetterten Burschen um, der noch immer mit offenem Mund dastand, während ihm der Regen in Bächen über das Gesicht rann. »Mach schon! Worauf wartest du noch? Die Sägemühle ist ab sofort geschlossen. Ich steige aus dem Geschäft aus.«
    Dann wandte sie sich ab und nahm den ungeduldigen Mazal bei den Zügeln. »Komm, alter Junge«, murmelte sie, »wir gehen und betrinken uns.«
    Toulacs Haus stand bei der Mühle. Ihr Großvater hatte oberhalb der Hochwassermarke ein Plateau angelegt und das Haus darauf gebaut. Der solide Bau aus Quadersteinen war für eine wachsende Familie gedacht gewesen und hatte das kleinere Holzhaus früherer Generationen ersetzt. Doch es war anders gekommen als gedacht: Als Letzte ihrer Familie nutzte nur Toulac das Haus, und die meisten Räume standen leer und verstaubten. Die geräumige Küche bildete eine Ausnahme. In ihrer Kindheit war sie der Mittelpunkt des Hauses gewesen, wo die Familie gemeinsam den Tag begann und sich am Abend wieder versammelte, um miteinander zu reden, zu essen und auszuruhen. Diesen behaglichen Raum dominierte eine stolze Herdstelle mit einem weiten Kamin in der Mitte, dem Ziegelofen auf der einen und dem Kupferofen für heißes Wasser auf der anderen Seite.
    Solange Ailse, ihre Mutter, gelebt hatte, war das Haus ihr Reich und sie der Tyrann gewesen. Damals nahmen die Männer noch den Hut vom Kopf und wischten sich die Schuhe ab, bevor sie das Haus betraten, und wehe dem, der es unterließ. Unter Ailses strahlender Ordnungsherrschaft wurden jederzeit Höflichkeit und gute Manieren erwartet. Starke Getränke und derbe Rede galten als völlig ausgeschlossen. Inzwischen hätte Ailse das Haus nicht mehr wiedererkannt. Die Fenster waren schmutzig, der Fußboden schlammverschmiert, und in jeder Ecke hingen Spinnweben. Auf dem Tisch stapelte sich das schmutzige Geschirr, überall fanden sich angetrocknete Speisereste und klebrige Flecke, und alles war eingestaubt und bekrümelt. Eine Leine war quer durch den Raum gespannt, darauf hing die häufig geflickte Wäsche vor dem Kamin.
    Der einzig tadellose Gegenstand im ganzen Haus, so stellte Toulac amüsiert fest, war das glänzende Schwert, das beim Kamin in der Ecke lehnte.
    Mutter dreht sich bestimmt im Grabe um, dachte Toulac, während sie das nasse, schlammbespritzte Pferd über die Schwelle in die warme Küche führte. Sie kicherte darüber, wie Mazal sich dankbar in dem fremden Raum umschaute. Er blähte

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