Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial
darin gesehen.«
*Auch der Klang ist mir völlig fremd*, sagte der Luftgeist. *Besonders dieses Knallen und Zischen. Es steht schlecht um sie, Elion – viel schlechter, als wir erwartet haben. Es sieht ganz so aus, als würde die Wand selbst hier, an der Grenze zu Gendival, versagen.*
Als sie näher kamen, begann es Elion unangenehm auf der Haut zu prickeln, als krabbelten stechende Insekten in Scharen über seinen Körper. Das Haar stellte sich auf, er spürte sogar, wie die Bartstoppeln sich sträubten. Der Wissenshüter zwang sich gegen alles Unbehagen zur Konzentration, richtete seinen Geist darauf, in die telepathische Matrix einzutreten, und flehte zu der machtvollen und umfassenden Intelligenz, die im Herzen Myrials verborgen lag. Sie benötigten nur einen Augenblick, um das Kommando für den Eintritt zu geben und die Schleierwand zu durchschreiten. Doch in diesem einen Moment erschien es Elion, als versagten alle seine Sinne, und das Gefühl seiner Körperlichkeit verschwand, er verschmolz mit der ganzen Welt. Er drehte sich im endlosen Raum in der Ewigkeit. Dann plötzlich war er wieder Elion, der zitternd und schwindelig in seiner angestammten Welt stand, in der er sich sicher fühlte.
Ein eisiger Regen rann ihm über das Gesicht. Das Tal setzte sich auf dieser Seite der Grenze fort, jedoch war der Grund ein einziger Morast. Am anderen Ende schlossen es Berge ein, die sich im Nebel verloren. Elion wusste, dass sie nur die Ausläufer eines hohen und unwirtlichen Gebirges waren, dessen Gipfel bis in die Wolken ragten. Er blickte in die Ferne und versuchte angestrengt, die ziehenden Nebelschwaden zu durchdringen. Waren Veldan und Kazairl überhaupt noch am Leben? Oder waren sie auf den heimtückischen Passwegen zwischen den Gipfeln zusammen mit dem Drachenseher umgekommen?
Elion schauderte und zog sich die Kapuze hoch, nachdem ihm ein eisiges Rinnsal in den Rücken gelaufen war. »Komm weiter«, sagte er. »Lass uns dort hinaufsteigen und herausfinden, was mit ihnen geschehen ist.«
Er erhielt keine Antwort.
»Thirishri? Wo bist du?«
*Hoch über dir, Elion. Und ein Stück voraus. Ich sehe mir die Wolken an und die Fährten des Windes. Du solltest dich beeilen, Hüter des Wissens. Hoch im Norden muss ein Riss in der Schleierwand sein. Eine Kaltfront zieht schnell heran. Wenn du nicht innerhalb der nächsten paar Stunden über den Pass gelangst, bevor es zu schneien anfängt, wirst du Tiarond nicht mehr vor dem Frühling erreichen.*
»Diese Umstände sind unerträglich geworden!« sagte Seriema entschieden. Sie war die reichste Händlerin des Landes und führte sowohl im Bergbaukonsortium als auch im Händlerbund den Vorsitz. Sie stemmte die Hände in die Hüften und blickte den Hierarchen herausfordernd an. »Was also beabsichtigt der Hierarch zu unternehmen?«
Danke, Myrial!, dachte Zavahl müde. Das ist genau das, was ich jetzt brauche, besonders vor dem Frühstück. Er erhob sich nicht von seinem Platz und behielt scheinbar ruhig den gleichgültigen Ausdruck höflicher Aufmerksamkeit bei, während er innerlich vor Wut schäumte. Dadurch – inzwischen war er für jeden kleinen Gnadenerweis dankbar – würde die Tirade der Vettel länger dauern, sodass er Zeit hatte, sich seine Antwort zu überlegen.
»Du bist Myrials Stellvertreter! Bei wem liegt die Verantwortung, wenn nicht bei dir?« Seriema hatte sich inzwischen in Rage geredet. Sie durchmaß den Raum mit ruckartigen Schritten, und der stechende Blick aus ihren kalten, blassen Augen war dazu angetan, den Hierarchen auf seinem Stuhl festzuheften. Wie gut, dass sie so viel Reichtum und Macht geerbt hat, dachte Zavahl gehässig. Schließlich muss sie damit ausgleichen, dass ihr die weiblichen Vorzüge fehlen. Bei Myrial, sie ist wirklich keine Schönheit! Wäre sie nicht ein solcher Stachel im Fleisch gewesen, sie hätte ihm Leid getan, diese alte Jungfer von neunundzwanzig Jahren mit ihrem glatten, fahlblonden Haar, den eiskalten Augen und der viereckigen Kinnpartie. Ihr Körper war plump, der Busen flach wie ein Brett, die Taille breit und die Hüften gerade wie bei einem Mann.
Zavahl biss die Zähne zusammen, als ihre zänkische, schrille Stimme wieder zu ihm durchdrang. »Wann können wir mit einem Ende dieser langwierigen Regenfalle rechnen? Das Konsortium verlangt dies zu erfahren. Wir stehen bereits am Rande des Ruins. Wenn dieses verfluchte Wetter noch länger anhält, bricht der gesamte Handel in Callisiora zusammen!«
Und
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