Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial
erinnert mich an mich selbst!« Sie gluckste und streckte die Hand aus. »Ich heiße Toulac.«
»Veldan«, antwortete sie und drückte ihr die Hand, die sich warm und hart anfühlte. »Und das ist Kazairl – Kaz –, mein …« Sie zögerte einen Moment bei der Frage, wie sie seine Existenz erklären sollte, ohne die Geheimnisse des Schattenbundes preiszugeben. Doch da war etwas um die alte Frau, das ein uneingeschränktes Vertrauen hervorrief … Ach, zur Hölle damit, dachte Veldan. Ich kann die Lage kaum noch schlimmer machen. »Kaz ist mein Partner«, sagte sie schließlich. »Wir sprechen miteinander durch Gedankenübertragung.«
Toulac schaute sie aus großen Augen an. »Also, da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt! Ich kann mir einiges denken, was man mit diesem Trick anfangen könnte. Habt ihr zwei es jemals beim Spiel versucht?«
Veldan und Kaz tauschten einen kummervollen Blick. »Schon sehr oft«, antwortete die Wissenshüterin trocken. »Meistens spielen wir um unser Leben.«
»Das glaube ich gern, wenn ihr mit einem Erdrutsch Haschmich spielt.« Toulac legte einen Arm um Veldan. »Komm, Mädchen – du musst jetzt zurück ins Haus, raus aus der Kälte. Es wird gleich mordsmäßig schneien, und du zitterst schon, dass dir die Knochen klappern. Übrigens solltest du nach dem Schlag, den dein Kopf abbekommen hat, weiterhin im Bett bleiben. Von solch einer Verletzung erholst du dich nicht auf die Schnelle.«
Veldan seufzte. »Na gut«, stimmte sie widerstrebend zu. »Und danke, dass du mich nicht gleich mit einem Haufen Fragen bestürmt hast.«
Die alte Frau kicherte. »Wart’s nur ab! Die hebe ich mir alle für später auf, wenn es dir besser geht.«
Veldan blieb noch kurz in der Scheune zurück und streichelte den Drachen, obwohl sie wusste, wie unvernünftig das war. Aber nachdem sie einander beinah verloren hätten, fiel es ihr sehr schwer, ihn aus den Augen zu lassen, und es bedurfte keiner Gedankenübertragung, um zu erkennen, dass es ihm nicht anders ging. Plötzlich konnte sie es ein wenig nachfühlen, was Elion durchgemacht haben musste.
»Tut mir Leid, aber dein Freund ist zu groß, um mit reinzukommen«, sagte Toulac. »Er passt nicht einmal auf die Veranda und mit dem Kopf durch die Küchentür. Vor allem wollen wir nicht, dass er von jedem neugierigen Wanderer gesehen wird, der dann prompt seine Nase in unsere Angelegenheiten steckt. Und zweitens ängstigt er das Pferd zu Tode.«
»Du hast ein Pferd in deiner Küche?«, platzte Veldan heraus.
»Na, und wenn, was dann?«, schnappte die alte Frau zurück.
»Du weißt gar nicht, wie glücklich mich das macht!«, keuchte Veldan lachend und hielt sich dabei die schmerzenden Rippen.
Toulac, die sich schon eine giftige Erwiderung zurechtgelegt hatte, sah sie verblüfft an. »Glücklich? Bei Myrial, warum das?«
»Ich habe das Pferd gesehen, als ich durch die Küche getaumelt bin, und ich dachte schon, dass ich nach diesem Schlag auf den Kopf anfangen würde zu spinnen.«
»Du hältst es also nicht irgendwie für – seltsam?«, fragte Toulac immer noch misstrauisch.
Veldan zog die Schultern hoch, wofür sie sofort schmerzhaft bestraft wurde. »Warum sollte ich? Schließlich ist es ein Pferd, und das Wetter ist scheußlich. Ich hätte wahrscheinlich dasselbe getan.«
Toulac starrte sie ungläubig an, dann brachen sie in Gelächter aus und legten den Grundstein für eine Freundschaft, die nur der Tod selbst beenden konnte.
Blank war an der Sägemühle vorbeigeritten, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Er war mit seinen Gedanken woanders. Ich muss die Sache beschleunigen, damit wir noch heute nach Tiarond zurückkommen, dachte er.
Schon seit Tagen kündigte sich ein Wetterumschwung an. Der Winter würde in diesem Jahr sehr früh hereinbrechen. Blank schaute besorgt zum Himmel auf, der eine dunkle blaugraue Färbung angenommen hatte und sich noch weiter verfinsterte. Ein Sturm kam auf, und dann war man auf dem Chaikar in Lebensgefahr. Vielleicht hätte ich lieber in der Stadt bleiben sollen, dann hätte Zavahl allein sein Glück im Sturm versuchen können, sinnierte er. Andererseits wäre ein toter Hierarch unter einer Schneewehe seinen Zwecken weit weniger dienlich als ein brennender Hierarch im Opferfeuer.
In Wirklichkeit war sich der Hauptmann der Heiligen Krieger Myrials durchaus gewahr, dass es für ihn gar nicht in Frage gekommen wäre, in der Stadt zu bleiben. Keinen Augenblick hatte er bezweifelt, dass der Mann die
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