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Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Titel: Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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selbst war in die Hände der Callisioraner gefallen – einer Art, die Veldan als primitive, abergläubische Wilde beschrieben hatte.
    Am Ende wurde ihm der ganze Schrecken seiner Lage deutlich. Das nahe Feuer hatte zwar sein Bewusstsein geweckt, doch er konnte nichts tun, um die Kräfte seines Körpers wiederherzustellen. Denn dafür brauchte er pralles Sonnenlicht. Nichts anderes enthielt genügend Energie.
    Aus seiner Bestürzung wurde Verzweiflung. Das Urteil stand unwiderruflich fest. Er hatte keine Möglichkeit zu entkommen. Bald, an diesem Ort, würde Aethon, der Seher des Drachenvolkes, sterben.
    Da er nun noch einmal klar im Kopf war, begann sein Verstand wie rasend zu arbeiten. Warum hatte er sein Ende nicht vorausgesehen, bevor er diese Reise antrat? Gewiss er hatte gespürt, dass etwas fehlschlagen könnte. Außer einer Vision vom Schlangenpass waren alle Eindrücke verworren und undeutlich gewesen, fast so als würde er die Welt nicht mit seinen, sondern mit völlig fremden Sinnen erfassen. Doch dass er sterben würde? Das erschien ihm unmöglich! Der Drache versuchte sich zu sammeln, bevor er in Panik ausbrach. Wenn er jetzt starb, wäre nicht nur seine einzigartige Begabung verloren, sondern auch all sein Wissen – die gesammelte Oberlieferung und Weisheit von Jahrhunderten, die das Drachenvolk über unzählige Generationen hinweg bewahrt und weitergegeben hatte und die sehr wohl den Schlüssel zur Erlösung von den Plagen der Welt enthalten konnten.
    Ein schrecklicher Gedanke, in diesem fernen Land, umgeben von diesen zurückgebliebenen, befremdlichen Lebewesen einen einsamen Tod zu sterben. Kein Drache war jemals im Augenblick seines Todes allein gewesen. Bevor sein Bewusstsein aus der Welt verschwand, gab er sein gesamtes Wissen und alle Erfahrung seines Lebens an einen eigens bestimmten Nachfolger weiter, indem er sie direkt von Geist zu Geist übertrug. Auf diese Weise ging niemals etwas verloren, was von größter Bedeutung war für eine Spezies, die nur wenige Nachkommen gebar und deren Population immer gering blieb. Als Seher aber war Aethon einzig in seinem Volk. Der Verlust seiner Fähigkeit könnte der ganzen Art schaden. Und was seine Gefühle betraf, so blieb ihm sogar die tröstende Gewissheit versagt, dass ein Teil seiner selbst im Erbe zukünftiger Drachenvolkgenerationen weiterleben würde.
    Plötzlich kam ihm in den Sinn, dass es – vielleicht – einen Weg gab, um seine Erinnerungen vor der Vergessenheit zu bewahren. Da er ein Wissenshüter war, lag seine telepathische Leistungsfähigkeit weit über dem Durchschnitt seines Volkes. Wenn es ihm also gelingen würde, sein gesamtes Bewusstsein in einen anderen Körper zu übertragen – in einen robusten menschlichen –, dann könnte er ihn als Mittel benutzen, um sich selbst in sein Land zurückzubringen und sein Wissen an einen Nachfolger weiterzugeben, bevor er schließlich seinen Geist dem Jenseits überließe, wie es natürlich und richtig wäre.
    Das hatte noch niemand vor ihm getan, und er konnte nicht sagen, ob es tatsächlich gelingen würde. Aber er musste es versuchen. Eine andere Möglichkeit blieb ihm nicht. Er konzentrierte sich darauf mit aller Kraft und wartete still, dass einer der Menschen nahe genug an ihn heran käme. Unter dem kleinen Haufen Männer schien es einen Tumult zu geben. Einer floh, die anderen jagten ihm nach … Aethon verwünschte sich. Wohin liefen sie? Würden sie zurückkehren? Er durfte sie nicht verlieren – dies war die eine und letzte Chance. Nein – einer war ihnen nicht gefolgt. Er kam näher, näher …
    Als der Mann die Hand ausstreckte, um ihn zu berühren, handelte Aethon. Er konnte keinen Muskel seines Körpers bewegen, doch er nahm seinen Geist zusammen, bündelte sein Bewusstsein zu einem Strahl und schleuderte ihn wie einen Speer in den Geist des nichts ahnenden Menschen. Gerade als er dies tat, spürte er die Nähe eines anderen Wissenshüters – zu spät. Er war bereits übergewechselt. Dann fing es an zu schneien, und der Schnee fiel wie ein Leichentuch auf den sterbenden Drachen, der sich in letzten Zuckungen wand. In seiner neuen Hülle aber stieß. Aethons Geist einen lautlosen Triumphschrei aus. Der Hierarch brüllte markerschütternd.

 
     
    Die Suffraganin Gilarra, die dem Hierarchen nur noch im Hinblick auf die Körpergröße nachstand, genoss in ihrem einfachen Heim im Handwerkerviertel für einen Nachmittag das häusliche Leben, das sie so oft vermisste. Den beiden

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