Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines
der Gottesschwerter vor sich stehen sah, machte sein Herz einen Sprung. Die Rettung! Einer seiner Leute war gekommen, um ihn vor diesen verrückten Frauen und ihrem Ungeheuer zu retten und nach Hause zu bringen. Dann wurde er richtig wach und entsann sich, dass er kein Zuhause mehr hatte und die Gottesschwerter nicht mehr seine Soldaten waren. Sein Magen ballte sich vor Angst zusammen. Blank war gekommen, um ihn zu holen! Seine verzweifelte Lage kam ihm erneut mit aller Härte zu Bewusstsein. Er könnte gar nicht nach Tiarond zurückkehren. Selbst wenn Gilarra und der skrupellose Hauptmann ihn leben ließen, was höchst unwahrscheinlich war, bliebe noch das Volk, das ihn am liebsten in Stücke reißen würde.
Der Fremde in dem schwarzen Mantel betrachtete ihn eingehend. »Du hast den rechten Zeitpunkt für das Opfer verpasst«, sagte er sanft. »Es dauert nun wieder ein Jahr, bis es so weit ist. Wenn du jetzt zurückgingest, würde dir das nichts nützen.«
Zavahl fuhr kerzengerade auf. »Wer bist du?«
Der andere setzte den Teller ab, den er gebracht hatte, und setzte sich auf die Bettkante. »Ich heiße Elion«, antwortete er. »Ich hoffe, dass wir Freunde werden, obwohl ich fürchte, dass du davon einen anderen Begriff hast als ich.«
»Stehst du mit diesen verfluchten Frauen im Bunde?«
»Nun, ich bin kein Soldat«, antwortete der junge Mann lächelnd. »Ich habe mir diese Uniform für eine Weile leihen müssen. Du weißt sicher, wie das ist.«
Die Schuld flammte in Zavahl auf, weil er daran erinnert wurde, wie er sich eine Nacht lang von seiner asketischen Einsamkeit befreit hatte und maskiert in die Stadt gegangen war, um die Bierschenken und die Huren auszuprobieren.
Denk nicht daran.
»Stehst du mit den Frauen im Bunde?«, fragte er hartnäckig.
Der junge Mann zuckte die Achseln. »Nun, es hat keinen Zweck, es zu leugnen. Wir kommen von demselben Ort – abgesehen von der alten Streitaxt – und wir haben dieselben Ziele.« Er lehnte sich vertraulich vor und sagte leise: »Das ist wirklich kein Honigschlecken für mich, das kann ich dir versichern. Du hast wahrscheinlich schon gemerkt, wie dickköpfig und lästig sie sein können, geradezu schwierig. Aber wir leben in unglücklichen Zeiten, wie du selbst gesehen hast. Die Welt ringsum bricht auseinander, und es ist unsere Aufgabe, den Verfall aufzuhalten.«
Zavahl runzelte die Stirn. »Unsere Aufgabe? Wie kann das gehen? Das Schicksal der Welt liegt doch gewiss in der Hand Myrials?«
Elion wollte etwas antworten, überdachte es und setzte neu an: »Auch wenn das wahr sein sollte, glaubst du nicht, dass die Dinge an einem Punkt angelangt sind, wo Myrial ein bisschen Hilfe gebrauchen könnte?«
»Wie bitte?« Doch plötzlich, auf dem Höhepunkt seines Zorns über diesen Frevel, fiel ihm sein Traum wieder ein. Myrial hatte zu ihm gesprochen und ihm gesagt, dass er nicht bestraft, sondern auf die Probe gestellt wurde.
Konnte das wirklich wahr sein? Wäre dies also die Probe? Wollte Myrial, dass er diesen Ketzer verurteilte oder dass er ihm bei der Rettung der Welt half?
Wenn ich doch nur ein wenig länger geträumt hätte!
»Aber – aber wie könnte ich einem Gott helfen?«, fragte er argwöhnisch.
Elion beugte sich näher zu ihm. »Bevor wir weiter sprechen, willst du mir eine Frage beantworten? Bist du überhaupt willens, dein Volk zu retten?«
Das hatte Zavahl nicht erwartet, aber er fasste sich schnell. »Wenn ich bereit bin, mich an den Pfahl binden und lebendig verbrennen zu lassen, so ist das wohl Antwort genug.«
Die grauen Augen des Fremden ließen seinen Blick für keinen Moment los. »Ja oder nein?«, beharrte er. »Überlege sorgfältig, bevor du antwortest.«
Zavahl wandte als Erster den Blick ab. »Ich weiß nicht recht«, flüsterte er.
Der junge Mann wartete still.
»Ich habe mir immer eingebildet, dass ich für mein Volk bereitwillig sterben würde«, fuhr Zavahl gramvoll fort, »aber als die Zeit gekommen war, zu meinem Wort zu stehen, da hatte ich solche Angst, dass ich zu allem bereit gewesen wäre, um meinem Schicksal zu entkommen, selbst wenn ich mein Volk damit zu endlosem Elend verdammt hätte.« Er fing an zu weinen.
»Und dann bist du tatsächlich entkommen«, sagte Elion leise, »und seit Veldan dich gerettet hat, quält dich die Schuld, weil die Opferung nicht ausgeführt wurde.« Er zögerte. »Du kannst es sühnen, weißt du. Du kannst deinem Volk helfen, das verspreche ich. Nur ist es nicht einfach. Dein
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