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Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Titel: Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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Labyrinth weit in den Berg hineinführte, war es ein gutes Versteck, ein Scherzrätsel auch für die gerissensten Gottesschwerter, und der beste Platz, um Beute zu horten.
    Für Aliana war das Labyrinth an diesem Morgen ein fernes Traumland, in welches sie sich verzweifelt zurückwünschte. Sie hatte Durst, fühlte sich steif und unausgeschlafen, hatte stechende Kopfschmerzen und der verletzte Arm brannte. Auf der Habenseite stand, dass von ihren Angreifern nichts zu sehen und zu hören war, abgesehen von dem zerrissenen Kadaver oben auf der Treppe zur Gruft. Aliana stieg schaudernd darüber hinweg, während sie die kindische Angst befiel, das Ungeheuer könnte zu neuem Leben erwachen und nach ihr schnappen.
    Das übrige Haus schien verlassen zu sein. Doch die Diebin unternahm lieber einen gewissenhaften Rundgang vom Keller bis zum Dach, ehe sie sich ausreichend sicher fühlte und sich ein wenig entspannte. Obwohl sie einigermaßen beruhigt in die Küche zurückkehrte, blieb ihr das zerbrochene Fenster, durch welches die fliegenden Teufel eingedrungen waren, nur allzu deutlich bewusst. Aliana fröstelte, und das kam nicht allein von der kalten Luft, die mit dem Regen durch das Fenster kam, sondern ihr war, als hätte sie der Hauch des Todes gestreift. Was sind das für Kreaturen?, dachte sie. Wie können wir überhaupt hoffen, sie zu besiegen? In diesem Augenblick wurde ihr klar, dass Tiarond verloren war.
    Wenn die Lage so verzweifelt war, dann musste sie umso dringender ihren Bruder und die Bande finden, die ihre einzige Familie waren. Doch wäre es nicht klug, einfach unvorbereitet davonzujagen. Sie wusste es sehr genau: Je größer die Gefahr war, desto eher kam man durch Hast um. Zunächst aß sie, was sie noch aufstöbern konnte, denn sie blieb fest entschlossen, beinah als ein Akt der Treue, das Beste von allem ins Labyrinth zu schaffen. Dann trank sie sich an dem kalten, sauberen Wasser satt und füllte sich welches in eine Flasche ab. Nach der Erfahrung der vergangenen Nacht wollte sie nicht noch einmal in die Lage kommen, ohne etwas zu trinken in einer Falle zu sitzen. Myrial sei Dank dass ich nicht mit dem Weinbrand angefangen habe, dachte sie. Ich fühle mich heute Morgen auch ohne schon mies genug. Sie stieß auf den Weidenrindenvorrat der Köchin, entschied aber, dass sie nicht die Zeit hatte, sich welche aufzubrühen. Ihre verschiedenen Leiden, insbesondere das leichte Fieber, das von den brennenden Kratzwunden am Arm herrührte, würden warten müssen. Sie stopfte die Rinde in den Rucksack. Im Labyrinth würde man sie brauchen – wenn es die Bande noch gab.
    Nachdem sie sich auf die bestmögliche Weise versorgt hatte, war sie zum Gehen fertig, doch brauchte es anscheinend größeren Mut, als sie besaß, um die Kaufmannsvilla zu verlassen. Sie redete sich ein, dass sie nichts hinauszögern, sondern nur eine letzte Überprüfung vornehmen wollte, ehe sie sich nach draußen wagte, und so rannte sie noch einmal die Treppe hinauf, um von oben die Route zu überschauen, die sie nehmen würde.
    Das Haus des Wollhändlers blickte über die ganze Stadt, und von den oberen Fenstern aus schaute sie unruhig in allen Richtungen über die Dächer und suchte den Himmel ab. Da war nichts zu entdecken, keine übergroßen Vögel hockten wie Wasserspeier auf Schornsteinen oder kreisten wie Aasgeier über den Straßen. Es musste etwa Mittag sein, entschied Aliana, wie alle Tiarondianer inzwischen daran gewöhnt, die Stunde nach dem unterschiedlich fahlen Tageslicht zu schätzen. Heute hingen die Wolken tief, wallender grauer Dunst kam mit böigen Winden von den Bergen her. Der Regen begann zu prasseln, es bildeten sich große Pfützen, und in den Dachrinnen rauschte es. Würde das Wetter die Bestien fernhalten? Dass überhaupt keine zu sehen war, wirkte zermürbend. Aliana hatte das schlimme Gefühl, dass sie nicht allzu weit weg waren. Vielleicht waren sie aber auch Nachttiere, die nur während der Dunkelheit jagten, wie Fledermäuse und Eulen. Dann sollte man sich bei Tag einigermaßen sicher draußen bewegen können. Andererseits konnte es zur Zeit auch am Tage ziemlich dämmrig sein, ermahnte sie sich – besonders wenn die Wolken so tief hingen. Sie wollte ihr Leben nicht darauf setzen, dass die Eindringlinge tagsüber schliefen. Nichtsdestotrotz verschaffte ihr die scheinbare Abwesenheit der Bestien die Gelegenheit, nach Hause zu gelangen.
    Was stehst du also noch herum? Mach dich auf den Weg, solange es hell

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